Sie sind aufgrund einer Erkrankung weniger als sechs Stunden pro Tag arbeitsfähig? Dann haben Sie Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Bevor die Rentenversicherung einer Zahlung zustimmt, überprüft sie jedoch, ob sich die Erwerbsminderungsrente durch eine medizinische oder berufliche Rehabilitation vermeiden lässt. Der Grundsatz „Reha vor Rente“ ist im Sozialgesetzbuch festgelegt.
Der Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ leitet sich aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) VI §9 ab. In diesem heißt es: „Die Leistungen zur Teilhabe haben Vorrang vor Rentenleistungen, die bei erfolgreichen Leistungen zur Teilhabe nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind.“ Vgl. §9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI.
Auch im SGB IX §8, das das Schwerbehinderungsrecht beinhaltet, ist der Vorrang von Rehamaßnahmen vor Rentenleistungen festgeschrieben.
Eine medizinische Rehabilitation umfasst Maßnahmen, die auf den Erhalt oder die Besserung des Gesundheitszustands ausgerichtet sind. Eine solche Leistung soll Patient:innen helfen, wieder belastbar zu werden, die Lebensqualität zu verbessern und den Platz in Gesellschaft, Beruf und Familie beizubehalten. Ist die Erwerbsfähigkeit durch eine Erkrankung gemindert oder gefährdet, soll die medizinische Reha eine Verbesserung bewirken oder zumindest eine Verschlechterung abwenden.
Patient:innen werden häufig durch orthopädische, neurologische oder psychosomatische Erkrankungen in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit eingeschränkt. Bei der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) ist die Therapie in einer stationären oder ambulanten Rehaklinik daher verstärkt auf die Bewältigung des Berufsalltags ausgerichtet.
Bei einer Reha zur Abwendung einer Erwerbsminderung handelt es sich um eine Maßnahme für Personen, bei denen aufgrund einer längeren Erkrankung und der damit verbundenen körperlichen Einschränkungen die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit droht. Das Ziel dieser präventiven Rehabilitation besteht darin, die Leistungsfähigkeit zu erhalten oder zu verbessern und im besten Fall die Gesundheit wiederherzustellen. Es geht nicht zwangsläufig darum, wieder eine Vollzeittätigkeit ausüben zu können. Je nach Schweregrad der Einschränkungen können auch Teilzeitarbeiten angestrebt werden. Statistiken zufolge sind rund 80 Prozent aller Deutschen im erwerbsfähigen Alter, die sich einer Reha unterzogen haben, auch noch zwei Jahre danach beruflich aktiv.
Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zielen darauf ab, die Teilhabe am Arbeitsleben trotz Erkrankung oder Behinderung möglichst dauerhaft zu gewährleisten. Unter der beruflichen Reha ist kein Aufenthalt in einer Rehaklinik gemeint. Im Gegensatz zur medizinischen Reha umfasst die berufliche Reha daher keine medizinischen Therapien, sondern Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Leistungen können sowohl ergänzend zu einer medizinischen Reha als auch einzeln stattfinden. Je nach persönlichen Möglichkeiten und Zielen kann die berufliche Reha entweder darauf ausgelegt sein, einen bestehenden Arbeitsplatz zu erhalten oder durch Aus- und Weiterbildungsangebote neue berufliche Perspektiven eröffnen. Hilfen, die von der Rentenversicherung angeboten werden, sind beispielsweise
Wie lange der Ablauf einer solchen Maßnahme dauert, kann nicht genau vorhergesagt werden, da die berufliche Wiedereingliederung sehr individuell ist.
Die Reha vor Rente wird vorwiegend stationär durchgeführt, ist aber ebenso ambulant realisierbar. Voraussetzung ist eine deutliche Minderung beziehungsweise Gefährdung der Erwerbstätigkeit. Grundsätzlich kann diese Rehabilitationsmaßnahme alle vier Jahre erfolgen. Liegen bei Ihnen dringende medizinische Gründe vor, ist eine Antragstellung aber auch schon früher möglich.
Üblicherweise stimmen die Kostenträger der Zahlung einer Erwerbsminderungsrente nur zu, wenn es Ihnen auch nach einer medizinischen und beruflichen Reha nicht möglich ist, mindestens sechs Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Außerdem dürfen Sie das Rentenalter noch nicht erreicht haben und müssen mindestens fünf Jahre vor Eintritt in die Erwerbsminderung Beiträge an die Deutsche Rentenversicherung entrichtet haben.
Eine volle Erwerbsminderung wird nur dann gezahlt, wenn die betroffene Person weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann. Die durchschnittliche volle Erwerbsminderungsrente betrug im Jahr 2020 882 Euro pro Monat. Das durchschnittliche Zugangsalter zur Erwerbsminderungsrente betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 52 Jahre. Bei einer Erwerbsfähigkeit von mindestens drei und höchstens sechs Stunden täglich, spricht man von einer teilweisen Erwerbsminderung. Die Betroffenen erhalten in diesem Fall eine halbe Rente.
Sollten Sie eine volle Erwerbsminderung erhalten und trotz der gesundheitlichen Einschränkungen mehr als 6.300 Euro jährlich verdienen, wird die Erwerbsminderung möglicherweise nicht mehr gezahlt. Außerdem dürfen Sie nicht mehr als drei Stunden täglich arbeiten. Bei teilweiser Erwerbsminderung wird die Hinzuverdienstgrenze individuell ermittelt.
Der Rentenanspruch kann auf Dauer oder zeitlich befristet genehmigt werden, wenn die Aussicht besteht, dass eine Erwerbsfähigkeit nach einiger Zeit wieder möglich sein wird.
Ist der Erfolg einer Rehamaßnahme von vornherein ausgeschlossen oder konnten die abgeschlossenen Maßnahmen eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit nicht verhindern, gilt der Reha-Antrag gleichzeitig auch als Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente. Im §116 Absatz 2 SGB VI heißt es dazu:
„Der Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben gilt als Antrag auf Rente, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und ein Erfolg von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erwarten ist oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.“
Arbeitnehmer:innen haben bis zu 72 Wochen lang Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld durch die Krankenkasse. Um die Zahlungen einstellen zu können, fordern die Krankenkassen ihre Versicherten manchmal dazu auf, einen Rehaantrag oder einen Antrag auf Erwerbsminderung zu stellen. Wenn eine Rehabilitationsmaßnahme oder die Erwerbsminderung für den oder die Versicherte/n nicht infrage kommt, kann gegen die Aufforderung Widerspruch eingelegt werden.
Frühzeitige und individuell abgestimmte Behandlungen können den Verlauf einer Erkrankung positiv beeinflussen. Deshalb kann eine Rehabilitation bereits im Kindes- und Jugendalter eine sinnvolle Maßnahme sein, um Leistungsfähigkeit zu erhalten und auch die spätere Lebensqualität und Erwerbsfähigkeit zu sichern. In spezialisierten Rehakliniken kann ein interdisziplinäres Team individuell auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen eingehen.
Zur Vermeidung der Erwerbsunfähigkeit bzw. einer Erwerbsminderungsrente von Personen im erwerbsfähigen Alter trägt die Rentenversicherung die Kosten für eine Reha. Außerdem ist sie im Regelfall für die Kostenübernahme für eine Reha nach Krebserkrankungen zuständig – auch bei Rentner:innen. Für die Zahlung der Reha sind in Deutschland, neben der Rentenversicherung, noch weitere Kostenträger zuständig.
Der Grundsatz „Reha vor Rente“ basiert auf der Idee, Erwerbsminderungsrenten durch frühzeitige Rehabilitationsmaßnahmen nach Möglichkeit zu vermeiden. Ziel ist es, die Arbeitsfähigkeit von Menschen, die durch Krankheit oder Unfall beeinträchtigt sind, wiederherzustellen oder zu verbessern, bevor Rentenleistungen in Anspruch genommen werden. Diese Strategie spiegelt das Bestreben wider, Individuen so lange wie möglich im Arbeitsleben zu halten und die sozialen Systeme zu entlasten. Die Maßnahme zeigt das Engagement, durch Rehabilitation die Selbstständigkeit der Betroffenen zu fördern und gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben für Renten zu minimieren.
Bevor die Rentenversicherung einer teilweisen oder vollständigen Rente wegen Erwerbsminderung zustimmt, kann die Durchführung einer Rehamaßnahme sinnvoll sein. Das Ziel ist dann die Vermeidung einer Berentung oder ein ‚Nachhintenschieben‘ der Berentung.
Wenn durch die Durchführung einer Rehamaßnahme die Arbeitsfähigkeit nicht verbessert wird, kann eine Berentung die Folge sein. Als Faustformel gilt: eine Arbeitsfähigkeit von 3-6 Stunden kann in eine teilweise Erwerbsminderungsrente führen, bei einer Arbeitsfähigkeit von weniger als 3 Stunden droht die volle Erwerbsminderung.
Leistungen zur Rehabilitation haben immer Vorrang vor der Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Ist der Erfolg einer Rehamaßnahme von vornherein ausgeschlossen oder konnten die abgeschlossenen Maßnahmen eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit nicht verhindern, gilt der Rehaantrag gleichzeitig auch als Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente.
Ablehnungsgründe für eine Rehamaßnahme können vielfältig sein: aus formalen Gründen wird eine Ablehnung ausgesprochen, wenn die letzte Reha noch keine 4 Jahre zurückliegt. Medizinisch ist immer zu beurteilen, ob die im Antrag beschriebenen Störungen durch eine Rehamaßnahme gebessert werden können (positive Rehaprognose) oder ob andere Behandlungsansätze einen besseren Erfolg versprechen. In jedem Fall sollte man bei einer Ablehnung prüfen, ob ein Widerspruch sinnvoll ist. Durch weitere medizinische Unterlagen können Sie möglicherweise die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme untermauern.