Die Abkürzung MBOR steht für „Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation“. Es handelt sich um ein Programm, das in allen modernen Rehabilitationskliniken durchgeführt wird.
Chronische Erkrankungen können zu beruflichen Problemen führen. Diese Probleme müssen frühzeitig identifiziert und bearbeitet werden. Nur so kann verhindert werden, dass Patient:innen in die Lage geraten, nicht mehr ihrem Beruf nachgehen zu können und erwerbsunfähig werden.
Die Aufgabe einer Rehabilitation ist somit nicht nur, den Gesundheitszustand zu verbessern, sondern auch, die Erwerbsfähigkeit der Patient:innen zu erhalten, die sonst eine Erwerbsminderungsrente beziehen müssten.
Das Ziel der MBOR ist der Erhalt der Erwerbsfähigkeit. Der Beruf und berufsbezogene Probleme werden in der Planung der Rehabilitation stark berücksichtigt. Vor der Einführung der MBOR orientierten sich die Anwendungen nur an den funktionellen Einschränkungen der Patient:innen. Für die orthopädische und die rheumatologische Rehabilitation bedeutet das, dass muskuläre Ungleichgewichte und Probleme der Körperstatik identifiziert werden.
Durch gezielte Anwendungen werden abgeschwächte Muskeln trainiert und verkürzte Muskeln gedehnt. In der MBOR werden die Anwendungen nicht nur nach diesen funktionellen Gesichtspunkten ausgewählt, sondern insbesondere auch nach den Anforderungen im Beruf.
Konkret bedeutet dies, dass bei einem Büroangestellten immer die Nacken- und Schultermuskulatur trainiert wird, weil durch die Tätigkeit am PC das Risiko von Haltungsproblemen in diesem Bereich sehr hoch ist.
Patient:innen, die in der Alten- und Krankenpflege arbeiten, haben eine besonders hohe Beanspruchung der Lendenwirbelsäule. Patient:innen, die in einer Bäckerei arbeiten, müssen oft Backwaren über den Kopf heben und beanspruchen so ihre Schultern. Es ergibt also Sinn, die Bereiche, die durch den Beruf besonders beansprucht werden, stark in den therapeutischen Fokus zu nehmen.
Vor einer Rehabilitation erhalten die Patient:innen einen Fragebogen. Hiermit wird erfasst, ob berufliche Probleme bestehen. Solche Probleme können körperlicher und psychischer Natur sein. Anhand des Fragebogens wird bereits vor der Rehabilitation eine erste (vorläufige) Einschätzung getroffen, ob eine relevante berufliche Problematik und somit die Zuordnung zur MBOR besteht oder nicht. Im Rahmen der ärztlichen Aufnahme wird diese nochmal überprüft.
In der Rehabilitation arbeiten die verschiedenen Berufsgruppen eng zusammen und bilden das MBOR-Team: Ärzt:innen, Psycholog:innen, Sozialarbeiter:innen, Physiotherapeut:innen und Ergotherapeut:innen. Jede dieser Berufsgruppen hat im Rahmen der MBOR eine spezifische Aufgabe und wirkt an dem übergeordneten Ziel des Erhalts der Erwerbsfähigkeit mit.
Die Ergonomie auf der Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Ergotherapie. An speziell ausgestatteten Musterarbeitsplätzen werden die Abläufe des Berufes geübt. Diese Musterarbeitsplätze können z.B. ein Pflegebett oder ein PC-Arbeitsplatz sein. Dort wird die Körperhaltung überprüft und ggf. korrigiert. Hinweise für Hilfsmittel oder für eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung werden gegeben.
Die Deutsche Rentenversicherung hält in einigen wenigen hochspezialisierten MBOR-Abteilungen zusätzlich sehr komplexe Musterarbeitsplätze vor. Diese umfassen z.B. das Modell eines Dachstuhls zur Arbeitserprobung für Dachdecker oder Modelle eines Autos, um so den Arbeitsplatz eines Mechatronikers zu simulieren.
Die sozialmedizinische Begutachtung ist eine der zentralen Aufgaben der Rehabilitation.
Geprüft werden:
Auf der Basis dieser Begutachtung entscheidet die Deutsche Rentenversicherung, ob Fördermaßnahmen bewilligt werden, oder ob eine Erwerbsminderungsrente indiziert ist.
Die Patient:innen - Begutachtung muss sehr fundiert sein, weil davon der gesamte weitere Lebensweg abhängen kann. Die Begutachtung muss nach klaren Kriterien erfolgen und nachvollziehbar begründet sein. Die Ergebnisse müssen überall in Deutschland gleich sein und so sichergestellt werden, dass kein:e Patient:in in Bezug auf Sozialleistungen Vor- oder Nachteile hat.
Patient:innen, die eine MBOR erhalten, durchlaufen Termine bei jeder der genannten Berufsgruppen. Dabei fasst jede Berufsgruppe ihre Ergebnisse zusammen. Es folgt eine gemeinsame MBOR-Sitzung, in der diese Ergebnisse besprochen werden und die finale sozialmedizinische Begutachtung erfolgt. So werden alle Aspekte berücksichtigt und auch der dreiwöchige Verlauf mit oder ohne Tendenzen der Besserung kommt zur Sprache.
Durch die Einführung der MBOR wurde die Begutachtung der Erwerbsfähigkeit von einer rein ärztlichen Aufgabe zu einer Aufgabe des gesamten MBOR-Teams aus hochspezialisierten sozialmedizinisch versierten Expert:innen. Dabei fließen die Ergebnisse der gesamten mehrwöchigen Rehabilitation in die Begutachtung mit ein.
In der täglichen Praxis und in großen wissenschaftlichen Studien zeigt sich, dass durch die Einführung der MBOR viel mehr Patient:innen im Erwerbsleben verbleiben als noch vor einigen Jahren. Die MBOR Erfahrungsberichte lassen also auf ein erfolgreiches Programm schließen.
Eine MBOR dauert genau so lange wie eine übliche Rehabilitation, bei einer orthopädischen oder rheumatologischen Rehabilitation somit 3 Wochen. Je nach Schwere der beruflichen Probleme ist es aber sehr viel leichter, eine Verlängerung zu gewähren.
MBOR bedeutet Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation. In der MBOR werden unter anderem berufliche Probleme mit Auswirkung auf die Erkrankung bearbeitet.
Patient:innen, bei denen durch die Erkrankung berufliche Probleme auftreten, erhalten eine MBOR. Dort wird geklärt, ob das Berufsbild bei der vorliegenden gesundheitlichen Situation noch leidensgerecht ist, oder ob Veränderungen erfolgen sollten.
Bei der berufsbezogenen Diagnostik geht es um die Frage, welche Arbeit ein:e Patient:in noch durchführen kann. Ein Belastungs-EKG wird somit nicht durchgeführt um nach Durchblutungsstörungen (KHK) des Herzens zu suchen, sondern um zu prüfen, wie leistungsfähig das Herz ist. Eine Lungenfunktionstestung dient nicht in erster Linie der Einstellung auf ein neues Asthma-Spray, sondern der Frage, ob die Lungenfunktion noch so gut ist, dass eine bestimmte Arbeit noch möglich ist.
Bei jeder Rehabilitation wird von der behandelnden Klinik immer geprüft, ob MBOR-Bedarf vorliegt oder nicht. Bei MBOR-Bedarf wird das beruflich orientierte Programm durchgeführt.
Zu Beginn der Rehabilitation wird durch ein Screening geprüft, ob MBOR-Bedarf vorliegt. Im Rahmen der MBOR wird eine berufsbezogene Diagnostik durchgeführt. Durch Muskeltests, wie die Handkraftmessung oder den Chair-Rising-Test, wird beispielsweise ermittelt, ob die muskulären Voraussetzungen für eine bestimmte Arbeit noch vorliegen. Beim Erstellen eines Röntgenbildes von der Wirbelsäule geht es nicht um die Frage einer Operation oder einer Spritzentherapie, sondern in erster Linie darum, ob bei den Veränderungen an der Wirbelsäule die Arbeit als Krankenpfleger:in oder Maurer:in noch möglich ist.
Chefarzt der Abteilung für Rheumatologie und Osteologie