Etwa 10 Prozent der Bevölkerung sind schätzungsweise von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen. Vielen Menschen ist dies nicht bewusst, da Beschwerden häufig erst spät im Verlauf einer Krankheit auftreten. Warum die Nieren eine besonders wichtige Rolle im Körper spielen und was man insbesondere zur Vorbeugung einer Verschlechterung der Nierenfunktion selbst tun kann, erfahren Sie in diesem Artikel.
In der Regel besitzt jeder Mensch zwei Nieren, die sich neben der Wirbelsäule hinter dem Bauchfell und unterhalb des Zwerchfells befinden. Jede Niere enthält ca. eine Million Nierenkörperchen, kleine Gefäßknäuel, die sogenannten „Glomeruli“. Durch sie fließen jeden Tag ca. 1.500 Liter Blut, von denen ca. 150 Liter als Primärharn filtriert werden. Der größte Teil der Flüssigkeit gelangt zusammen mit wichtigen Substanzen wieder zurück in den Körper. Am Ende werden im Laufe des Tages ca. 1,5 Liter Urin ausgeschieden.
Viele Menschen wissen, dass die wichtigste Aufgabe der Nieren die Produktion des Urins ist. Auch ist bekannt, dass sie wichtigen Entgiftungsfunktionen nachkommen und den Salz- und Flüssigkeitshaushalt im Körper regulieren. Darüber hinaus spielen die Nieren eine zentrale Rolle bei der Regulation des Blutdrucks und des Säure-Basen-Haushalts, bei der Regulation der Bildung roter Blutkörperchen über das Hormon Erythropoietin und bei der Regulation des Kalzium- und Phosphathaushaltes über die Aktivierung von Vitamin D.
Die auftretenden Symptome bei einer Nierenkrankheit können sehr unterschiedlich sein. Häufig treten sie erst dann auf, wenn die Erkrankung bereits fortgeschritten ist und die Nieren kurz vor dem Versagen stehen. Die Symptome können an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten und umfassen:
Um eine chronische Nierenkrankheit bereits vor dem Auftreten dieser Symptome entdecken zu können und möglichen Folgeerkrankungen vorzubeugen, sind regelmäßige Kontrollen durch einen Facharzt oder eine Fachärztin für Nephrologie besonders wichtig.
In Deutschland sind schätzungsweise 2 Millionen Menschen von einer chronischen Nierenkrankheit betroffen. Die meisten Betroffenen sind über 60 Jahre alt. Mit mehr als 2.000 transplantierten Spendernieren jährlich machen Nierentransplantationen über die Hälfte der Organtransplantationen in Deutschland aus. Jedes Jahr sterben etwa 10.000 Menschen in Deutschland an den Folgen einer chronischen Nierenkrankheit.
Neben der Urinuntersuchung auf das Vorhandensein von Eiweiß, Zucker oder anderer Bestandteile, die bei Nierengesunden nicht im Urin auftauchen sollten, spielt insbesondere die Bestimmung des Kreatinin-Wertes im Blut eine zentrale Rolle für die Diagnose einer Nierenkrankheit. Anhand der CKD-EPI-Formel kann der Kreatininwert im Labor ermittelt und die Nierenfunktion als „Glomeruläre Filtrationsrate“ (eGFR) eingeschätzt werden. Normalerweise liegt diese bei einem Wert von ca. 100 ml/min.
Die häufigsten Ursachen für die chronische Nierenkrankheit sind die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus ) und langjähriger Bluthochdruck, insbesondere in Kombination mit Zigarettenrauchen. Alle drei Faktoren schädigen auf Dauer die Blutgefäße und damit auch die vielen kleinen Gefäßknäuel in den Nieren. Weitere Ursachen können entzündliche Nierenkrankheiten sein (z. B. eine Glomerulonephritis), Gefäßkrankheiten der Nieren oder chronische Infektionen, aber auch Gifte oder Medikamente (z. B. die sog. Analgetikanephropathie infolge Einnahme hoher Dosen nierenschädigender Schmerzmittel). Auch verschiedene erbliche Nierenkrankheiten wie die Zystennierenkrankheit sind bekannte Ursachen. Auch können urologische Krankheiten, wie der Verschluss der Harnwege durch Steine oder Tumore, zu einer chronischen Nierenschädigung führen.
Wenn die Nierenfunktion länger als drei Monate oder dauerhaft eingeschränkt ist, spricht man von einer chronischen Nierenkrankheit. Sie wird heute in fünf Stadien eingeteilt:
Mit zunehmender Verschlechterung der Nierenfunktion steigt auch das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen. Durch einen gesunden Lebensstil und die regelmäßige Einnahme schützender Medikamente kann man das Risiko für dialysepflichtiges Nierenversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich reduzieren. Da die Nieren auch bei der Blutbildung und dem Knochenstoffwechsel eine wichtige Rolle spielen, können geschädigte Nieren auch zu Blutarmut, Blutgerinnungsschäden und Knochenschäden führen. Wenn die Nierenfunktion völlig versagt und die Abfallstoffe nicht mehr abgebaut werden können, kommt es zu seiner Urämie. Dabei handelt es sich um eine Vergiftung, die Hautveränderungen, Magen-Darm-Probleme, Hirn- und Nervenschäden sowie lebensbedrohliche Folgen wie Lungenödeme und Herzrhythmusstörungen haben kann.
Sind die Nieren erstmal seit Jahren chronisch geschädigt, besteht meist nur noch wenig Aussicht auf eine Besserung der Nierenfunktion.
Regelmäßige Bewegung hilft, die eigene Selbstständigkeit und die Lebensqualität zu erhalten und wirkt sich günstig auf den Blutdruck und den weiteren Abfall der Nierenfunktion aus. Eine gesunde Ernährung auf Basis der sog. Mittelmeerkost ist gut für die Blutgefäße und die Nieren. Je nach Stadium der Nierenkrankheit kann es sinnvoll sein, wenig Phosphat, Kochsalz oder Kalium zu essen. Die Deutsche Nierenstiftung empfiehlt außerdem, auf eine übermäßige Aufnahme von tierischen Eiweißen zu verzichten und stattdessen auf pflanzliche Eiweiße zu setzen, um den Tagesbedarf von etwa 0,8 g pro kg Körpergewicht täglich zu decken. Da Übergewicht ein Risikofaktor für die Blutgefäße und die Nieren ist, sollte das Gewicht im Normalbereich gehalten werden. Hoher Blutdruck und Diabetes mellitus schädigen die Gefäße und die Nieren. Daher sollten Blutdruck und Blutzucker gut eingestellt sein. Rauchen schädigt die Gefäße, auch die der Nieren, und beschleunigt daher den Verlauf der Nierenkrankheit. Rauchen sollte daher unbedingt vermieden werden. Im Regelfall sollte man 1,5 bis 2 Liter täglich trinken. In fortgeschrittenen Stadien der Nierenkrankheit kann dies zu viel sein, weshalb die Fachärzt:innen für Nephrologie hierzu gefragt werden sollten. Bestimmte Medikamente können Ihre Nierenfunktion schützen, andere dagegen schädigen. Daher sollten Sie Ihren Nephrologen oder ihre Nephrologin fragen, welche Medikamente für Sie schädlich sind (z. B. manche auch frei verkäuflichen Schmerzmittel) und welche helfen können, die Erkrankung in den Griff zu bekommen. Medikamente, die zur Behandlung von chronischer Nierenkrankheit infrage kommen sind beispielsweise:
Blutdruckmedikamente: Blutdruckmedikamente können insbesondere bei Patient:innen mit Bluthochdruck, aber auch bei normalen Blutdruckwerten die Nierenfunktion aufrechterhalten. Hierbei werden ACE-Hemmer und Angiotesin-II-Rezeptorantagonisten eingesetzt, da sie die Nieren kaum belasten.
Diabetesmedikamente: Eine gute Einstellung von Blutzucker kann das Auftreten einer Nierenerkrankung verhindern oder das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Besonders geeignet für den Einsatz bei chronischer Nierenkrankheit sind die sogenannten SGLT-2 Hemmer. Dieses Medikament kann sowohl bei Patient:innen mit Diabetes mellitus und Nierenschwäche als auch bei Patient:innen mit Nierenschwäche ohne Diabetes eingesetzt werden.
Entzündungshemmer: Immunsuppressiva, also Entzündungshemmer, die die Aktivität des Immunsystems herabsetzen können Entzündungen der Nierenkörperchen verringern. Zu den wirksamen Medikamenten dieser Gruppe gehören beispielsweise Kortison und Cyclosporin.
Hormone: Um die Bildung roter Blutkörperchen zu unterstützen, die durch die Nierenerkrankung beeinträchtigt sein kann, ist die Gabe des Nierenhormons Erythropoetin sinnvoll.
Zum Glück kann man heute auch bei chronischem Nierenversagen im Endstadium 5 in aller Regel noch viele Jahre ein selbstbestimmtes Leben führen. Hierfür ist man jedoch auf eine chronische Nierenersatztherapie angewiesen. Prinzipiell stehen die Dialysetherapie und die Nierentransplantation zur Verfügung. Bei der Dialyse gibt es zwei Varianten:
Beide haben Vor- und Nachteile, über die man sich mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin unterhalten sollte, wenn eine Dialysetherapie notwendig wird. Bei der Nierentransplantation ist man auf ein Spenderorgan angewiesen. Wenn man keine/n Lebendspender:in im engsten Freundes- oder Verwandtenkreis hat, muss man meist einige Zeit warten, bis man die Niere eines/einer verstorbenen Organspender:in erhält.
Viele chronisch nierenkranke Menschen haben verschiedene körperliche Einschränkungen, aber auch seelische Belastungen, die mit ihrer Erkrankung einhergehen. Sie bedürfen daher einer besonderen Aufmerksamkeit und umsichtigen Betreuung. Im Laufe einer Rehabilitationsmaßnahme kann sich das interdisziplinäre Reha-Team aus Ärzt:innen und Therapeut:innen, Ernährungs- und Sozialberater:innen, Pflege- und Sozialdienstmitarbeiter:innen intensiv mit den Problemen der Betroffenen beschäftigen. Das Team kann Hilfestellung geben, vorhandene Beschwerden zu lindern, den Krankheitsverlauf aufzuhalten und mit den Folgen der chronischen Erkrankung besser umzugehen. So soll die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und am gesellschaftlichen und beruflichen Leben weiter teilzuhaben, von verschiedener Seite gefördert werden. Wichtig ist, dass die Abteilung unter nephrologischer Leitung steht, damit die medizinische Expertise für die vielschichtigen Probleme bei chronischer Nierenkrankheit gesichert ist. Dies ist besonders wichtig, wenn es sich um Nierentransplantierte oder um Dialysepatient:innen handelt. Von Vorteil ist auch, wenn die Rehaklinik direkt vor Ort mit einer Dialyseeinrichtung zusammenarbeitet und diese vielleicht sogar von den Nephrolog:innen der Rehaabteilung betreut wird. So kann eine entsprechende „Versorgung aus einer Hand“ stattfinden.
Der Verband Deutsche Nierenzentren e. V. und der Bundesverband Niere e. V. bieten bei Fragen zum Umgang mit der Krankheit eine gebührenfreie Telefon-Hotline an.
Das NierentelefonDie Einnahme von Medikamenten, eine angepasste Ernährung und eine angepasstes Trinkverhalten spielen im Leben der Betroffenen langfristig eine große Rolle, weshalb auch nach der Rehabilitation eine medizinische Betreuung notwendig bleibt. Die Aussicht auf eine lebenslange Therapie kann die Betroffenen psychisch belasten, weshalb es wichtig ist, nicht nur die körperlichen sondern auch die seelischen Auswirkungen der Krankheit zu beachten. Der Austausch in einer Selbsthilfegruppe oder eine Psychotherapie können Möglichkeiten sein, um einen langfristigen Umgang mit der chronischen Nierenkrankheit zu finden.
Chief Medical Officer
Chefarzt Nephrologie und Dialyse