Familienkur

Portrait von Johanna Barbosa
Johanna Barbosa (Autor:in)

Referentin

AW Kur und Erholungs GmbH, 
Tochtergesellschaft der AWO Bezirk Westliches Westfalen e.V.

Zuletzt aktualisiert: 22.12.2025 | Lesedauer: ca. 11 Min.

Familien in Deutschland stehen vor vielfältigen Herausforderungen, die sich aus, familiären Verpflichtungen, gesundheitlichen Belastungen und beruflichen Anforderungen ergeben. Eine Familienkur bietet die Möglichkeit, sich gemeinsam als Familie zu erholen, Stress zu bewältigen und gesundheitliche Probleme zu lindern. Sie richtet sich an Familien, deren Mitglieder gesundheitlich beeinträchtigt sind oder sich in belastenden Lebenssituationen befinden. Die Kur bzw. Vorsorgemaßnahme hilft, familiäre Bindungen zu stärken und Krankheit vorzubeugen. Unser Ratgeberartikel zeigt Ihnen, wie Sie eine Familienkur beantragen, was Sie dabei beachten sollten und was Familien in den Vorsorgekliniken erwartet.

Familien in Deutschland: Zahlen, Daten, Fakten

Familie bedeutet, dass Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen - und das in vielfältigen Formen: in Paarfamilien, verheiratet oder nicht, in Patchwork- und Stieffamilien, in LGBTQ+ Familien oder bei Alleinerziehenden und getrennt lebenden Eltern. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Bedürfnissen, Erwartungen und Herausforderungen wider, die Familien in ihrem Alltag bewältigen müssen. Im Jahr 2023 gab es in Deutschland 8,5 Millionen Familien mit minderjährigen Kindern, von denen 69 Prozent verheiratet waren. In Ostdeutschland lag der Anteil der verheirateten Eltern bei 54 Prozent, in Westdeutschland bei fast drei Vierteln (71 Prozent). Bei der Geburt ihres ersten Kindes waren die Mütter im Durchschnitt 30,3 Jahre alt, die Väter 33,2 Jahre. Die Geburtenrate lag bei 1,35 Kindern je Frau. In den meisten Familien sind heute beide Elternteile erwerbstätig, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu einer Herausforderung macht. So lag 2023 die Erwerbsbeteiligung von Eltern mit einem Kind bei 66,1 Prozent und bei Eltern mit zwei Kindern bei 68,9 Prozent. Die Rolle der Väter hat sich in den letzten Jahren stark verändert – eine aktive Beteilung an der Kinderbetreuung und der Organisation der Familie wird gesellschaftlich auch von ihnen verlangt. Im Jahr 2022 lebten 7,4 Prozent der Familien in Deutschland unter erheblichen materiellen und sozialen Entbehrungen, was mit großen Herausforderungen für den Familienalltag und die Familienbeziehungen verbunden ist.

Was ist eine Familienkur?

Eine Familienkur ist eine Präventionsmaßnahme zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der gesamten Familie. Im Gegensatz zu einer Rehabilitationsmaßnahme, die in der Regel der Behandlung einer bestehenden Erkrankung dient, steht bei einer Familienkur oder Vorsorgemaßnahme die Stärkung der physischen und psychischen Gesundheit der Familienmitglieder im Vordergrund.

Gründe für eine Familienkur

Während einer Familienkur hat die ganze Familie die Möglichkeit, neue Kraft zu schöpfen und neue Perspektiven für den Alltag zu gewinnen. Es wird Raum und Zeit geschaffen für jedes einzelne Familienmitglied, für das Paar, die Eltern und die Familie als Ganzes. Gemeinsam kann an Herausforderungen gearbeitet werden, die die ganze Familie betreffen, wie z. B:

  • Stressbewältigung: Familienmitglieder stehen oft unter hohem Stress durch, familiäre Verpflichtungen, berufliche Anforderungen oder persönliche Belastungen. Eine Familienkur bietet die Möglichkeit, sich zu erholen, Stress abzubauen und Entspannungstechniken zu erlernen.
  • Gesundheitliche Probleme: Wenn mehrere Familienmitglieder gesundheitliche Probleme haben, die durch den Familienalltag verstärkt werden, kann eine Familienkur zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation beitragen.
  • Belastende Lebenssituationen: Bei schweren Erkrankungen, Trauerfällen, Patchwork-Situationen oder anderen belastenden Lebenssituationen kann eine Familienkur helfen, gemeinsam als Familie Kraft zu schöpfen.
  • Prävention und Vorsorge: Eine Familienkur dient der Prävention, um zukünftigen gesundheitlichen Problemen vorzubeugen und die allgemeine Lebensqualität zu verbessern, bevor akute Beschwerden auftreten. Es werden Strategien entwickelt, die dazu beitragen können, langfristig gesund zu bleiben.

Eltern und Kinder werden von alltäglichen Verpflichtungen entlastet. Das ist die beste Gelegenheit, durchzuatmen und neue Ziele ins Auge zu fassen. Gemeinsam können neue Möglichkeiten für die individuelle Bewältigung von Belastungen sowie die gegenseitige Unterstützung in der Familie gefunden werden.

Gesetzliche Grundlage für die Familienkur

Die Familienkur wird indirekt durch das Sozialgesetzbuch (SGB V) § 24, der sich mit Vorsorgemaßnahmen befasst, abgedeckt. Indirekt deshalb, weil das Gesetz nur eine Vorsorgemaßnahme eines Elternteils mit begleitendem Kind bzw. begleitenden Kindern vorsieht. Eine gemeinsame Familienkur ist möglich, wenn beide Elternteile jeweils eine Vorsorgemaßnahme beantragen und diese gleichzeitig stattfindet. 
In einigen Kliniken ist es möglich, eine Familienrehabilitation durchzuführen. Rechtsgrundlage ist § 41 SGB V.

Anspruch auf eine Familienkur

Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter sind Pflichtleistungen der Krankenkassen. Eine Familienkur ist im Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht ausdrücklich vorgesehen, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen bewilligt werden. Anspruch auf eine Familienkur haben Familien, in denen beide Elternteile und ggf. auch Kinderunter gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, die im Zusammenhang mit der Familiensituation stehen.  Ein Anspruch besteht, wenn:

  • Eine Schwächung der Gesundheit beseitigt werden muss, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde.
  • Einer Krankheit vorgebeugt oder ihre Verschlimmerung verhütet wird.
  • Pflegebedürftigkeit vermieden wird.

Verschiedene Problemlagen können eine Vorsorgemaßnahme als Familie begründen:

  • Schwierigkeiten bei der Problembewältigung, insbesondere von Alltagsproblemen und in Zusammenhang mit der Kindererziehung
  • Beeinflussbare medizinische Risikofaktoren (z. B. Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Übergewicht, übermäßiger Alkohol-, Nikotin- und Medikamentenkonsum)
  • Probleme in der Partnerschaft
  • Tod eines nahen Angehörigen/chronische Krankheiten/Suchtproblematik von Angehörigen
  • ständiger Zeitdruck, finanzielle Sorgen, beengte Wohnverhältnisse, soziale Isolation
  • besondere berufliche und familiäre Belastungssituationen (z. B. Arbeitslosigkeit, Schichtarbeit, Pflege von Angehörigen)
  • erhöhter Betreuungsaufwand durch häufig oder chronisch erkrankte, verhaltensauffällige oder behinderte Kinder, frühgeborene Kinder, Mehrlingsgeburten

Voraussetzungen für die Mitnahme von Kindern (mind. ein Punkt muss zutreffen): 

  • In der Regel werden Kinder ab dem 2. Lebensjahr bis zum vollendeten 12. Lebensjahr in den Vorsorgekliniken aufgenommen. Es gibt auch Kliniken, die sich sowohl auf die Betreuung von Kleinstkindern (0-2 Jahre) oder von Jugendlichen ab 12 Jahren spezialisiert haben. Kinder mit Behinderung unterliegen keiner Altersbegrenzung.
  • Mutter/Vater kann die Maßnahme sonst nicht antreten, weil die Kinder zu Hause nicht versorgt werden können.
  • Kinder sind zu jung und können nicht vom Elternteil getrennt werden.
  • Kinder sind selbst gesundheitlich gefährdet oder erkrankt. Behandlungsbedürftige Kinder benötigen ein eigenes ärztliches Attest. Achtung: Familienkuren sind keine Kinderrehabilitation. 
  • Mitnahme aufgrund einer belasteten Mutter-/Vater-Kind-Beziehung

Als Kinder gelten: leibliche Kinder, Stiefkinder, Adoptivkinder, Pflegekinder, Enkelkinder (wenn sie überwiegend von den Großeltern erzogen werden), Kinder in Patchworkfamilien, wenn sie von der versicherten Person betreut und erzogen werden.

Kosten für eine Familienkur

Die Kosten für eine Familienkur werden von der Krankenkasse übernommen, allerdings kann eine Zuzahlung erforderlich sein. Für gesetzlich Versicherte besteht die Möglichkeit, sich von der Zuzahlung befreien zu lassen. Privatversicherte sollten sich direkt bei ihrer Krankenkasse erkundigen, ob und in welchem Umfang die Kosten übernommen werden. Die Zuzahlung beträgt in der Regel 220 € pro Erwachsenem und Maßnahme, Kinder sind von der Zuzahlung befreit. Die genauen Kosten sollten im Vorfeld geklärt werden. Familien können die Kur auch als Selbstzahler buchen, wenn keine Kostenerstattung durch die Krankenkasse möglich ist.

Welche Krankenkasse ist zuständig?

  • Die Kosten werden von der Krankenkasse des Elternteils übernommen.
  • Bei den Kosten für das Kind kommt es auf den Einzelfall an. Es wird unterschieden, ob das behandlungsbedürftige Kind eine Vorsorgeleistung benötigt (Krankenkasse des Kindes zahlt) oder aus sozialen Gründen mit aufgenommen wird (Krankenkasse der Mutter/des Vaters zahlt).

Beantragung einer Familienkur

Um eine Familienkur zu beantragen, müssen Sie verschiedene Schritte durchlaufen, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen zur Bewilligung und Durchführung einer Vorsorgemaßnahme erfüllt sind.

  1. Der erste Schritt ist ein Besuch bei Ihrem Hausarzt oder Ihrer Fachärztin. Bei dieser Untersuchung wird festgestellt, ob eine Vorsorgemaßnahme notwendig ist. 
  2. Anschließend füllt Ihr Arzt oder Ihre Ärztin das entsprechende Formular für die Vorsorgemaßnahme aus: Für eine Familienkur als Vorsorgemaßnahme nach § 24 SGB V wird das Formular 64 verwendet. Es liegt den Praxen vor und muss nicht von Ihnen mitgebracht werden. Im Formular unter „VI. Sonstige Angaben“ kann eine Wunschklinik angegeben werden.
  3. Bei Pflegebedürftigkeit, chronischen Erkrankungen, Behinderungen, psychischen Auffälligkeiten oder anderen Behandlungsbedarfen wie etwa Übergewicht der Kinder ist zusätzlich das „Ärztliche Attest Kind“ Formular 65 erforderlich. Dieses wird i.d.R. von Ihrer kinderärztlichen Praxis ausgefüllt.
  4. Beide Partner müssen gleichzeitig bei ihrer jeweiligen Krankenkasse einen eigenen Antrag mit eigener Indikation stellen. 
  5. Reichen Sie die ausgefüllten Formulare bei Ihrer Krankenkasse ein. Diese prüft die Anträge und entscheidet über die Bewilligung. Bei Bewilligung erhalten Sie eine Kostenzusage und Informationen zur Auswahl der Klinik, in der die Familienkur durchgeführt wird. Bei Ablehnung haben Sie die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.

Auswahl der Klinik

Es gibt eine Vielzahl von Kliniken für Familienkuren in verschiedenen Regionen Deutschlands. Die Wahl des Ortes kann von persönlichen Vorlieben und gesundheitlichen Bedürfnissen abhängen. Patient:innen haben bei der Auswahl einer Klinik das Wunsch- und Wahlrecht, sofern die Klinik für die Behandlung Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen geeignet ist.

Wie läuft eine Familienkur ab?

Eine typische Familienkur dauert etwa drei Wochen und bietet ein umfassendes Programm, das individuell auf die Bedürfnisse der Familie abgestimmt ist. Das therapeutische Angebot umfasst

  • Medizinische und therapeutische Betreuung: ärztlich, psychologisch und sozialtherapeutisch
  • Gesprächsgruppen, Einzeltherapien und Erziehungsberatung
  • Bewegungstherapie und Entspannung: Abwechslungsreiche Bewegungsprogramme drinnen und draußen für die ganze Familie, aber auch getrennt, sowie verschiedene Entspannungsverfahren.
  • Physiotherapie, Ernährungsberatung, Ergotherapie, u. v. m.
  • Freizeitangebote: Zeit für Entspannung, Erholung und gemeinsame Aktivitäten als Familie. 
     

Versorgung der Kinder während der Familienkur

Während einer Familienkur werden auch die Kinder professionell und fachgerecht betreut. In vielen Vorsorgekliniken gibt es spezielle Kinderprogramme, die auf die Bedürfnisse der jungen Patient:innen abgestimmt sind. Dazu gehören pädagogische Angebote, Bewegungstherapien und naturorientierte Aktivitäten.

Unterschiede zu anderen Kur- und Rehaformen

Es ist wichtig, die Familienkur von anderen Maßnahmen zu unterscheiden:

  • Mutter-Kind-Kur: Diese Maßnahme richtet sich speziell an Mütter und ihre Kinder. Sie dient der Vorsorge oder Rehabilitation von Müttern und ihren Kkindern, in der Regel bis zum 12. Lebensjahr. Sie ist auf die Bedürfnisse der Mutter ausgerichtet, das Kind wird als Begleitperson mitgenommen.
  • Vater-Kind-Kur: Ähnlich wie die Mutter-Kind-Kur richtet sich diese Vorsorge- oder Reha speziell an Väter und ihre Kinder. Ziel ist die gesundheitliche Unterstützung des Vaters, während das Kind mitbetreut wird.
  • Reha für Erwachsene mit Kind: Diese Rehabilitationsmaßnahme richtet sich an Erwachsene, die aufgrund einer Erkrankung eine Reha benötigen und ihr Kind als Begleitperson mitbringen möchten. Dabei steht der Rehabilitationsbedarf des Erwachsenen im Vordergrund, während das Kind betreut wird.

Nach der Familienkur: Integration in den Alltag

Nach der Familienkur ist es wichtig, die gewonnenen Erkenntnisse und Verhaltensweisen in den Alltag zu integrieren. Viele Kurkliniken bieten Nachsorgeprogramme an, die helfen, die positiven Effekte der Kur langfristig zu erhalten. Es ist wichtig, im Alltag achtsam zu bleiben und gesunde Routinen zu etablieren. Überlegen Sie sich am besten schon vor der Vorsorgemaßnahme, welche Gewohnheiten Sie verändern möchten.

Fazit

Eine Familienkur bietet Familien die Möglichkeit, gemeinsam an ihrer Gesundheit zu arbeiten und sich vom stressigen Alltag zu erholen. Durch die gezielte Betreuung und die ganzheitlichen therapeutischen Angebote können gesundheitliche Beschwerden gelindert und die innerfamiliären Beziehungen werden. Wenn Sie sich fragen, wie Sie eine Familienkur beantragen können oder welche Vorsorgekliniken für Sie in Frage kommen, sollten Sie sich frühzeitig informieren und die notwendigen Schritte einleiten.

Häufige Fragen zur Familienkur

Wie lange dauert eine Familien Kur?

In der Regel dauert eine Familienkur drei Wochen.

Wer übernimmt die Kosten?

Die Kosten für eine Familienkur werden bei gesetzlich krankenversicherten Eltern von der Krankenkasse übernommen.

Wie oft kann man eine Familienkur machen?

Eine Familienkur kann frühestens nach vier Jahren erneut beantragt werden, es sei denn, es liegen medizinische Gründe für eine frühere Maßnahme vor.

Müssen berufstätige Eltern Urlaub für die Familienkur nehmen?

Nein, berufstätige Eltern müssen sich für eine Familienkur in der Regel nicht freistellen lassen. Die Familienkur ist als medizinische Maßnahme anerkannt, so dass der Arbeitgeber in der Regel verpflichtet ist, die Eltern für die Dauer der Kur freizustellen. Die Eltern erhalten finanzielle Leistungen wie bei einer Krankschreibung. Es empfiehlt sich jedoch, den Arbeitgeber rechtzeitig über die bevorstehende Abwesenheit zu informieren und die Kurbescheinigung vorzulegen.