Verhaltensmedizinisch orientierte Reha – VOR

Portrait von Dr. Matthias Lukasczik, Universität Würzburg

Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Arbeitsgruppe Rehabilitationswissenschaften

Universitätsklinikum Würzburg, Zentrum für Psychische Gesundheit

Zuletzt aktualisiert: 06.12.2024 | Lesedauer: ca. 8 Min.

Verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation: Klinikübersicht

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Die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation, abgekürzt VOR oder VMOR,  ist ein spezifisches Angebot für Patient:innen, die sowohl unter erheblichen körperlichen Einschränkungen als auch unter psychischen Belastungen leiden. Ziel ist es, neben den körperlichen auch persönliche und berufliche Faktoren zu berücksichtigen, die zur Entstehung oder Aufrechterhaltung der Erkrankung beigetragen haben. Die Patientinnen und Patienten sollen außerdem nachhaltig zur Entwicklung realistischer Ziele im Umgang mit ihrer Erkrankung motiviert werden.

Was ist verhaltensmedizinisch orientierte Reha?

Verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation oder VOR geht davon aus, dass körperliche Erkrankungen und psychische Belastungen eng miteinander verknüpft sind. Durch diese ganzheitliche Betrachtungsweise werden sowohl die körperliche Gesundheit als auch das seelische Wohlbefinden in den Mittelpunkt der Behandlung gestellt.

Eine körperliche Erkrankung bringt oftmals viele Belastungen mit sich, die von starken Schmerzen, die den Alltag erschweren, bis hin zu Gefühlen von Traurigkeit, Angst und Erschöpfung reichen. Manche Menschen fühlen sich unsicher und haben Angst, ihr Leben wie gewohnt weiterzuführen. Auch Schlafstörungen, Sorgen, Probleme in der Familie oder am Arbeitsplatz sowie der Verlust von Freude an früheren Aktivitäten können Teil der Herausforderungen sein.

Die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation unterstützt Betroffene dabei, mit diesen Belastungen besser umzugehen. In der Bezugsgruppe (einer festen Gruppe aus 10–12 Patient:innen) erfahren sie Gemeinschaft und können sich über ihre Erfahrungen austauschen. Sie lernen, unangenehme Gefühle oder Schmerzen anders zu betrachten oder leichter zu akzeptieren. Zudem können sie neue, hilfreiche Gedanken finden und ihre Selbstfürsorge verbessern, indem sie besser verstehen, was Ihnen guttut. Gemeinsam arbeiten sie daran, den Alltag angenehmer zu gestalten, Konflikte besser zu bewältigen, Stress abzubauen und Entspannung zu fördern.

Schaubild zeigt die Schnittmenge zwischen psychosomatischer und somatischer Reha: VOR

Was ist das Ziel einer verhaltensmedizinisch orientierte Reha?

Ziel der VOR ist es, Rehabilitand:innen dabei zu unterstützen, ihren Alltag trotz gesundheitlicher Einschränkungen besser zu meistern, ihre Lebensqualität zu verbessern und langfristige Strategien zu entwickeln, um mit Belastungen umzugehen.

Für wen ist VOR geeignet?

Die VOR ist ein spezifisches Angebot für Rehabilitand:innen, die durch eine körperliche Grunderkrankung eingeschränkt und zusätzlich durch Stress, chronische Schmerzen oder Probleme im beruflichen, familiären oder sozialen Umfeld erheblich belastet sind. Zudem profitieren auch jene Patient:innen von einer verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation, die Schwierigkeiten haben, ihre Erkrankung zu akzeptieren oder die eine starke Unsicherheit in Bezug auf ihre körperliche Belastbarkeit haben.

In der VOR erlernen Patient:innen Strategien, um effektiver mit diesen Belastungen umzugehen.

Wer kann eine VOR beantragen?

Versicherte können eine Verhaltensmedizinisch orientierte Reha beantragen, wenn sie die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine stationäre oder ganztägig ambulante medizinische Rehabilitation erfüllen.

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In Fällen, in denen die psychische Störung im Vordergrund der gefährdeten Erwerbsfähigkeit steht, ist die VOR nicht geeignet. Dann sollte eine psychosomatische oder psychotherapeutische Rehabilitation in Anspruch genommen werden.

Derzeit wird die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation für folgende Krankheitsbilder angeboten:

  • Rücken- und Gelenkschmerzen
  • Herz-Kreislauferkrankungen
  • Atemwegserkrankungen
  • Magen- und Darmerkrankungen
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Hautkrankheiten.

Das Angebot wird stetig erweitert.

Wie lange dauert eine verhaltensmedizinisch orientierte Reha?

Eine VOR erstreckt sich in der Regel über vier Wochen mit je fünf Behandlungstagen pro Woche. Somit dauert sie länger als eine standardmäßige medizinische Rehabilitation, die üblicherweise drei Wochen umfasst.

Ablauf einer verhaltensmedizinisch orientierten Reha

Eine verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation findet entweder stationär oder ganztägig ambulant in einer Rehaklinik oder einem Rehazentrum statt. Neben den Therapien der regulären medizinischen Rehabilitation wird ein psychotherapeutisches und bewegungstherapeutisches Gruppenprogramm angeboten.

Zu Beginn wird ein Gespräch mit dem Reha-Team geführt, das aus Psycholog:innen, Ärzt:innen und Bewegungstherapeut:innen besteht. Es wird nach der individuellen Lebenssituation und den bestehenden Herausforderungen gefragt. Eigene Wünsche und Sorgen sowie persönliche Ziele sollten dabei offen angesprochen werden. Eventuell werden auch Fragebögen ausgefüllt, die dem Team helfen, die Rehabilitation optimal an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Anschließend wird ein individueller Therapieplan erstellt, der die verschiedenen Elemente der Behandlung umfasst.

Den Großteil des Programms absolvieren die Patient:innen gemeinsam mit einer festen Gruppe von 10-–12 Personen, der sogenannten „Bezugsgruppe“. Die gemeinsamen Aktivitäten fördern ein besseres Kennenlernen der anderen Teilnehmenden und bieten die Gelegenheit für regelmäßigen Austausch sowie gegenseitige Unterstützung.

Mögliche Therapieelemente sind:

  • Bewegungstherapie, bestehend aus verschiedenen Sportarten und passenden Übungen, die auch nach der Reha zu Hause fortgesetzt werden können
  • Psychologische Gruppensitzungen, in der man sich über häufige psychische Belastungen austauscht und darüber, wie man besser damit umgehen kann
  • Psychologische Einzelgespräche, in denen die persönliche Situation besprochen werden kann
  • Entspannungstherapie
  • Vorträge
  • Sozialberatung
  • Ergotherapie
  • Arbeitsplatztraining

Am Ende der VOR erfolgt ein Abschlussgespräch, in dem gemeinsam mit dem Reha-Team reflektiert wird, welche Ziele erreicht wurden und wie der weitere Verlauf zu Hause gestaltet werden kann.

Wie wird eine VOR beantragt?

Die Formulare zur Beantragung einer Verhaltensmedizinisch orientierten Reha erhalten Patient:innen bei behandelnden Ärzt:innen, der Rentenversicherung oder in der Klinik, in der die Rehabilitation stattfinden soll.

Wenn Interesse an einer verhaltensmedizinisch orientierten Rehabilitation besteht, kann bei der Beantragung der Reha „VOR“ ins Wunschfeld geschrieben oder direkt eine Klinik mit VOR-Angebot als Wunschklinik angeben werden. Denn das Wunsch- und Wahlrecht ermöglicht es, dass jede:r Patient:in mitentscheidet, welche Reha-Einrichtung passend ist – sofern die grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Rehabilitation erfüllt sind.

Wer übernimmt die Kosten für eine VOR?

Die Kosten werden in der Regel von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) übernommen. Dafür ist es erforderlich, dass der behandelnder Arzt oder die behandelnde Ärztin die Notwendigkeit einer Rehabilitationsmaßnahme feststellt. Wenn eine Kostenübernahme abgelehnt wird, haben Versicherte die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. In manchen Fällen können auch andere Kostenträger wie private Krankenversicherungen oder Berufsgenossenschaften die Kosten übernehmen.

Die genauen Voraussetzungen und die Kostenübernahme hängen vom individuellen Fall ab. Es empfiehlt sich, sich ausführlich von den behandelnden Ärzt:innen oder der Rentenversicherung beraten zu lassen.

Fazit

Die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation bietet eine umfassende Unterstützung, die körperliche und psychische Beschwerden gleichermaßen in den Blick nimmt, um Betroffenen eine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation zu ermöglichen. Zudem kann die VOR dazu beitragen, den Alltag und die Arbeit besser zu bewältigen. Auch Menschen mit chronischen Schmerzen können auf diese Weise Wege finden, besser mit ihren Beschwerden umzugehen.

Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass sich stark belastete Patient:innen nach einer VOR wieder fitter für ihre Arbeit und ihren Alltag fühlen und besser mit Schmerzen umgehen können. Untersucht wurde das bisher bei Menschen mit orthopädischen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Entscheidend ist dabei, dass die Betroffenen aktiv an der Reha teilnehmen, um den größtmöglichen Nutzen zu erzielen.

Häufige Fragen zur verhaltensmedizinisch orientierten Reha

Sind die Abkürzungen VOR und VMOR identisch?

Beide Abkürzungen werden verwendet, um die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation zu bezeichnen. Beide Abkürzungen sind also korrekt und werden synonym verwendet.

Was ist der Unterschied zwischen einer VOR und einer herkömmlichen Reha?

Viele der Angebote einer VOR sind auch in der regulären medizinischen Reha verfügbar. Die VOR legt jedoch einen noch stärkeren Fokus auf psychische Belastungen. Gleichzeitig bleibt ausreichend Raum, um auch andere Themen wie beispielsweise Arbeitslosigkeit zu behandeln. Das Reha-Programm mit einer festen Bezugsgruppe nimmt in der VOR eine wichtige Rolle ein. Die Patient:innen können sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und gegenseitig unterstützen. Zudem dauert eine VOR länger als die „normale“ medizinische Reha.

Welche Beschwerden oder Diagnosen werden in der VOR behandelt?

Aktuell werden orthopädische Beschwerden wie Rücken- oder Gelenkschmerzen, Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkt, Atemwegserkrankungen wie Asthma oder COPD, Magen- und Darmerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sowie Hautkrankheiten behandelt. Es kommen stetig weitere Angebote und Erkrankungsbilder hinzu.

Wie läuft eine typische VOR ab? Gibt es feste Gruppen und Therapiestrukturen?

Für jede:n Patient:in wird ein persönlicher Rehabilitationsplan erstellt, der die Ziele der verschiedenen Therapieformen berücksichtigt und sich an einer langfristigen Strategie zur Bewältigung des (chronischen) Gesundheitsproblems orientiert. Gemeinsam mit dem Reha-Team besprechen und entscheiden die Patient:innen im Verlauf der Behandlung, was ihnen weiterhilft und was nicht. Der Großteil des Programms findet in der Bezugsgruppe mit den gleichen Patien:tinnen und Therapeut:innen statt.

Welche Therapieansätze werden in der VOR angewendet?

Für die VOR gibt es Standards der Deutschen Rentenversicherung, sodass das VOR-Angebot in Rehakliniken vergleichbar ist. Ein Behandlungstag beinhaltet u. a. eine Kombination aus Gruppen- und Einzeltherapien. Dazu gehört beispielsweise der Austausch in der psychologischen Bezugsgruppe, die Bewegungstherapie sowie die Möglichkeit für psychologische Einzelgespräche.

Wie lange dauert eine VOR?

Eine VOR dauert normalerweise 4 Wochen.

Welche Rolle spielen Gruppentherapien in der VOR?

Den Großteil des Programms besuchen die Patient:innen mit ihrer Bezugsgruppe, die in der Regel aus 10–12 Personen besteht. Hier haben sie die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Die feste Gruppe fördert außerdem soziale Kompetenzen und Motivation, da sie voneinander lernen und gemeinsam Fortschritte machen können.

Wird die Behandlung in einer VOR von der Krankenkasse übernommen?

Die Kosten für eine VOR werden in der Regel von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) übernommen.

Kann ich meine Therapieziele individuell festlegen?

Patientinnen und Patienten können Ihre Wünsche und Sorgen sowie persönliche Ziele selbst einbringen. Diese werden vom Reha-Team im persönlichen Therapieplan berücksichtigt.

Ist die Teilnahme an der VOR auch für Personen geeignet, die noch berufstätig sind?

Bei einer geplanten ambulanten oder stationären Reha (ob VOR oder herkömmliche Reha) sind Beginn, voraussichtliche Dauer und mögliche Verlängerungen dem Arbeitgeber sofort mitzuteilen, sobald bekannt. Ein Anruf genügt. Nach Genehmigung ist der Bescheid unverzüglich vorzulegen. Ziel der Rehabilitation bei berufstätigen Patient:innen ist die Wiederherstellung der Gesundheit und die Sicherung der Erwerbsfähigkeit. Gemäß dem Grundsatz „Reha vor Rente“ sollen die Patient:innen nach Abschluss der Reha-Maßnahmen in der Lage sein, ihre berufliche Tätigkeit wiederaufzunehmen, sodass eine Erwerbsminderungsrente vermieden werden kann.

Wie läuft die Anmeldung und Genehmigung für eine VOR ab?

Die VOR muss in der Regel entweder über die zuständigen Hausärzt:innen oder die behandelnden Fachärzt:innen beantragt werden. Auch der Sozialdienst in einem Krankenhaus, die Rentenversicherung oder die Klinik, in der die Rehabilitation stattfinden soll, ist hier der richtige Ansprechpartner. Die Rentenversicherungsträger genehmigen verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitationen in der Regel für 4 Wochen, wobei als Richtwert 28 bis 29 Tage gelten.

Ist eine VOR auch bei Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Herzerkrankungen möglich?

Ja, die VOR ist auch bei Herz-Kreislauferkrankungen oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes möglich.

Quellen

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  • Deutsche Rentenversicherung Bund (2015): Verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation. Rahmenkonzept der Deutschen Rentenversicherung für die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR). Berlin.
  • Deutsche Rentenversicherung Bund (2017): Verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation. Anforderungsprofil der Deutschen Rentenversicherung Bund für die verhaltensmedizinisch orientierte Rehabilitation (VOR). Berlin.
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  • Markus, Miriam; Euhus, Annemarie; Bethge, Matthias (2022): Effectiveness of behavioural medical rehabilitation under real-life conditions in Germany: A propensity-score matched analysis. In: Journal of rehabilitation medicine 54, jrm00248. DOI: 10.2340/jrm.v53.469.
  • Reha-passt (Hg.): VOR – was ist das überhaupt? Online verfügbar unter https://reha-passt.de/reha-formen/vor/, zuletzt geprüft am 28.10.2024.