Schwerhörigkeit

Zuletzt aktualisiert: 03.12.2024 | Lesedauer: ca. 10 Min.

Eine Schwerhörigkeit bedeutet, dass die Fähigkeit zu hören herabgesetzt ist. Sie erschwert es, Sprache und andere Geräusche zu hören. Die häufigsten Ursachen für Schwerhörigkeit sind Lärm und Alter, aber auch in jungen Jahren kann beispielsweise Lärm die Ohren schädigen. Zusätzlich können verschiedene Erkrankungen wie Verletzungen oder Infektionen die Hörleistung mindern. Eine Schwerhörigkeit kann in den meisten Fällen nicht geheilt, aber mit Hörgeräten behandelt werden.

Lesen Sie im folgenden Artikel wichtige Informationen zu Schwerhörigkeit und wie diese in einer Reha behandelt wird.

Wann spricht man von Schwerhörigkeit?

Von Schwerhörigkeit spricht man, wenn eine Person einen dauerhaften Verlust der Hörfähigkeit hat, der es schwierig macht, Gespräche und andere Geräusche in üblichen Lautstärken wahrzunehmen. Dieser Hörverlust kann in verschiedenen Graden auftreten, von leicht bis hin zu hochgradig. Die Diagnose wird in der Regel durch spezielle Hörtests wie Audiometrien gestellt, bei denen die Fähigkeit einer Person bewertet wird, Töne bei verschiedenen Lautstärken und Frequenzen zu hören.

Frau hält sich die Hand ans Ohr um zu signalisieren, dass sie schwer hören kann.

Ursache der Schwerhörigkeit

Die möglichen Ursachen einer Schwerhörigkeit sind vielfältig. Die häufigste Ursache - die sog. Alters-Schwerhörigkeit - ist dabei keine Krankheit, sondern dem biologischen Altersprozess geschuldet.

Andere Ursachen können sein:

  • Innenohr-Schwerhörigkeit (ca. 80 % aller Schwerhörigkeiten):
    • erbliche Faktoren (familiäre Schwerhörigkeit)
    • Knall- bzw. akuter oder chronischer Lärmschaden
    • Hörsturz als plötzlicher akuter Hörverlust unbekannter Ursache
    • Folge von (wiederholten) Entzündungsprozessen insbesondere im Mittelohr – z. B. chronische Mittelohr-Entzündungen in der Kindheit, Folge von Kinderskrankheiten wie Masern, Mumps, Scharlach
    • Morbus Menière (Hauptsymptome: Schwerhörigkeit, Tinnitus , Drehschwindel)
  • Mittelohr-Schwerhörigkeit (10-15 % aller Schwerhörigkeiten):
    • Cholesteatom (Tumor des Mittelohrs)
    • Otosklerose (Verknöcherung der Gelenke der Hörknöchelchen)
  • selten Hörnerven-Schädigung, z. B. Tumor des Hörnerven (Akustikusneurinom)

Symptome bei Schwerhörigkeit

Eine höhergradige Kommunikationsbehinderung kann folgende körperlichen, seelischen und psychosozialen Folgen hervorrufen, die eine Rehabilitation erforderlich machen können:

Medizinische Folgen:

  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsstörungen, psychovegetative Erschöpfung
  • Angststörungen
  • Depressionen bis hin zur Suizidalität
  • orthopädische Problem (besonders HWS-Beschwerden )
  • Schwindel-Symptomatik
  • Kopfschmerzen

Leistungsminderung:

  • durch schwankendes Selbstwertgefühl
  • Traurigkeit über Einschränkungen,
  • Gefühl der Isolation in der hörenden Welt
  • Lebens- und Alltagserschwerung
  • ständige Überforderung resultierend aus der Orientierung an Hörenden
  • Angst vor weiterem Hör- und Sprachverlust

Diskriminierung:                    

  • „der hört aber schlecht“ oder „der hört viel besser als er vorgibt“
  • „bist Du schwer von Begriff“
  • „mit dem Hörgerät hört man doch wieder normal“

Minderung der Lebensqualität:        

  • Schwerhörigkeit führt häufig zu sozialer Isolation und Kontaktschwierigkeiten
  • ständiges Kämpfen um Akzeptanz als Mitmensch
  • Einschränkungen bei der Berufswahl
  • ohne sichtbare Hörgeräte keine Verständigung (Hörgerät als soziales Stigma)

Kommunikations - Probleme:                      

  • führen häufig zum sozialen Rückzug und zur Vereinsamung
  • Schwerhörigkeit ist „die Fähigkeit nicht zu verstehen, was andere verstehen“
  • Verunsicherung durch die Ungewissheit, ob man richtig verstanden hat und ob man richtig verstanden wurde,
  • Belastung durch Konzentration auf Mimik, Gestik und Mundbild (Absehen)

Therapieschwerpunkte der Rehabilitation von Schwerhörigen

Im Mittelpunkt der Rehabilitation von schwerhörigen Patienten stehen 

  • umfassende medizinische Informationen zu Ursachen und Folgen der Schwerhörigkeit sowie Therapieansätze für Probleme, die sich aus einer Kommunikationsbehinderung ergeben,
  • Bearbeitung von Konfliktfeldern, die sich im psychologischen oder sozialen Bereich aus der Erkrankung ergeben haben mit Psychologen und Sozialarbeitern, insbesondere die häufig resultierende Isolierung und der Rückzug aus vielen Aktivitäten des sozialen Lebens (Familie, Beruf, Freunde),
  • Austausch von Erfahrungen mit Gleichbetroffenen, um eigene Erfahrungen und Lösungsansätze mit denen anderer zu vergleichen,
  • Erlernen von Strategien zur Hörtaktik,
  • technische Beratung, u. a. durch einen Hörgeräte-Akustiker,
  • Erlernen unterschiedlicher Entspannungsverfahrens, z. B. Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, um mit Stress und Belastungen besser zurechtzukommen,
  • Wahrnehmungstraining, ggf. therapeutisches Trampolintraining,
  • Abklärung wichtiger sozialer Fragen, insbesondere der beruflichen und Arbeitsplatzsituation mit Beratung durch einen Sozialarbeiter,
  • Bewegungstherapie, Gleichgewichtstraining und Krankengymnastik.

Bei Bedarf ermöglichen technische Hilfsmittel, - z. B. FM-Anlage für Gruppen- und Einzelgespräche, sowie Lichtklingel, Lichtwecker in jedem Zimmer, WLAN-Netzabdeckung -  jedem Patienten alle Angebote einer Rehabilitationsklinik ohne wesentliche Einschränkung in Anspruch nehmen zu können.

Therapieziele der Rehabilitation von Schwerhörigen

Ziel der Rehabilitation von Schwerhörigen ist es oft zu Beginn, dem Betroffenen die Zusammenhänge zwischen seinen geschilderten körperlichen, seelischen und sozialen Einschränkungen und der häufig ursächlichen Schwerhörigkeit deutlich zu machen. Erst in einem zweiten therapeutischen Schritt kann es dann um die gemeinsame Entwicklung von Veränderungen und Lösungsstrategien zwischen Patient und Arzt bzw. Psychologe gehen. Es sollen dabei Lösungen erarbeitet werden, die den Betroffenen im häuslichen Umfeld eine Verbesserung ihrer Lebensqualität erfahrbar und erlebbar machen.

Zwar stellt es heute teilweise noch ein Problem dar, die eingeleitete Therapie der Betroffenen am Heimatort in eine weiterführende ambulante Betreuung einmünden zu lassen. Hier ist eine Zusammenarbeit mit lokalen Selbsthilfegruppen ein sinnvolles Element auch der poststationären Nachsorge.

Das Hörgerät zur Kommunikationsunterstützung

Die Einschränkungen in der Kommunikation durch die Schwerhörigkeit sind anders als die meisten Körperbehinderungen unsichtbar, erscheinen dadurch für die Umwelt nicht offensichtlich und nachvollziehbar. Dies wird häufig durch den Betroffenen im weiteren Verlauf dahingehend unbewusst verstärkt, weil er bei der ggf. notwendigen Hörgeräte-Anpassung viel Wert darauf legt, dass die Hörgeräte von außen nicht gesehen werden können. Ein Hörgerät gilt in der Einschätzung großer Teile der Bevölkerung unverändert als Ausdruck von hohem Alter und Behinderung mit reduzierter Attraktivität. Die öffentliche Wahrnehmung einer Brille als Korrektur einer Sehbehinderung unterscheidet sich unverändert eklatant von der Nutzung eines Hörgeräts bei Schwerhörigkeit.

Wichtig ist von Anfang an eine realistische Vorstellung vom Ziel einer Hörgeräte-Versorgung aufzuzeigen: kein noch so aufwendiges und gut eingestelltes Hörgerät kann jemals auch nur annähernd ein normales Hörvermögen wiederherstellen. Das bedeutet, auch mit einem guten Hörgerät bleibt der Betroffene in seiner Kommunikation erheblich eingeschränkt, dann aber häufig mit der irrigen Erwartung seines unmittelbaren sozialen Umfelds, mit dem Hörgerät sei das Problem doch gelöst. Man ist überzeugt, die Einschränkungen der Hörbehinderung sein mit dem Hörgerät ausgeglichen und eine weitere Rücksichtnahme nicht erforderlich. Teilweise führt diese Haltung dazu, dass ein Schwerhöriger das Hörgerät nicht nutzt, weil er dann nicht erklären muss, warum er nun auch mit dem Hörgerät nicht zurechtkomme.

Fallbeispiel: Auswirkungen einer Schwerhörigkeit im Alltag

Ein Beispiel aus dem Klinik-Alltag:

Seit einiger Zeit fällt Fr. S. auf, dass ihr Mann (58 Jahre) den Ton beim Fernsehen so laut einstellt, dass sie dies im Nebenraum bereits als viel zu laut wahrnimmt. Dabei ist es auch schon häufiger zu Streit gekommen, weil ihr Mann dann argumentiert habe, die im Fernsehen würden so nuscheln, da müsse man zwangläufig lauter drehen.

Sie berichtet, bei Familienfeiern oder Restaurantbesuchen sei ihr Mann häufig gereizt, weil er nicht alles mitbekomme. Herr S. gibt dazu an, er höre nicht schlecht, aber die anderen würden einfach undeutlich sprechen. Am Arbeitsplatz müsse er manchmal nachfragen, aber dies liege sicher an den lauten Maschinengeräuschen. Außerdem sei das Verstehen schwieriger geworden, seit ein Ohrgeräusch ihn quäle.

"Ich höre nicht schlecht, aber die Anderen nuscheln so…"

Die Geschichte von Herrn S. ist ein Klassiker für die unterschiedliche Wahrnehmung von Schwerhörigkeit durch den Betroffenen und seine Umgebung. So sind für den Betroffenen oft die Anderen oder die Umstände verantwortlich, dass er Schwierigkeiten in der Kommunikation hat. Meist sind es daher die Angehörigen oder Arbeitskollegen, die die zunehmende Schwerhörigkeit bemerken und den Betroffenen ansprechen.

Neben dem meist unbewussten Verdrängen der zunehmenden Sinneseinschränkung gibt es auch eine durchaus nachvollziehbare audiologische Erklärung für dieses Phänomen. So werden beim Hören viele Konsonanten in den höheren Frequenzen wahrgenommen und sind für das Verständnis von gehörten Kontexten bedeutender als die meist tieffrequenten Vokale. Die Wahrnehmung der Lautstärke ist aber eher im tieffrequenten Bereich lokalisiert.

Da in den allermeisten Fällen einer sich entwickelnden Schwerhörigkeit die hohen Frequenzen zuerst betroffen sind, hört sich die Lautstärke unverändert an, aber die Sprache ist nicht gut zu verstehen, undeutlich, wie verwaschen. Wir bezeichnen dies als den guthörenden Schlechtversteher. Die Schwerhörigkeit erfordert dadurch vom Betroffenen einen erheblichen konzentrativen Mehraufwand in Gesprächssituationen, der zu zunehmender Erschöpfbarkeit und Gereiztheit führen kann. Häufig werden Körper, Geist und Seele mit der Zeit dermaßen belastet, dass der Betroffene zunehmend einen Verlust an Lebensqualität erleidet.

Fazit

Schwerhörigkeit ist nicht nur eine Herausforderung für die Betroffenen selbst, sondern auch für ihr soziales Umfeld. Es ist eine Erkrankung, die sowohl körperliche als auch psychosoziale Belastungen mit sich bringt und eine sorgfältige und umfassende Behandlung erfordert.

Die Rehabilitation von Schwerhörigen zielt darauf ab, die Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern, die Lebensqualität zu erhöhen und die soziale Isolation zu reduzieren. Dabei ist die Verwendung von Hörgeräten oft ein wesentlicher Bestandteil der Therapie, jedoch kein Allheilmittel. Eine ganzheitliche Herangehensweise, die medizinische, psychologische und soziale Unterstützung umfasst, ist entscheidend für eine erfolgreiche Anpassung an das Leben mit einer Hörminderung.

Häufige Fragen zur Schwerhörigkeit

Wann gilt man als schwerhörig?

Man gilt als schwerhörig, wenn man einen dauerhaften Verlust der Hörfähigkeit hat, der die normale Kommunikation beeinträchtigt. Dies wird üblicherweise durch einen Hörtest bestätigt, bei dem signifikante Abweichungen von normalen Hörvermögen festgestellt werden.

Wie viel Prozent Schwerbehinderung bei Schwerhörigkeit?

Der Grad der Schwerbehinderung bei Schwerhörigkeit kann variieren, je nachdem, wie stark die Hörbeeinträchtigung ist. Typischerweise kann die Schwerbehinderung zwischen 20 und 100 Prozent liegen, wobei Werte um 20 bis 40 Prozent für leichte Fälle und höhere Werte für schwerere Fälle typisch sind.

Was sind Anzeichen für schwerhörig?

Anzeichen für Schwerhörigkeit umfassen Schwierigkeiten beim Verstehen von Gesprächen, besonders in lauten Umgebungen oder wenn mehrere Personen gleichzeitig sprechen, häufiges Nachfragen, erhöhte Lautstärkeeinstellungen bei Fernseher oder Radio, und das Gefühl, dass andere Menschen nuscheln oder undeutlich sprechen.

Was kann man gegen Schwerhörigkeit tun?

Gegen Schwerhörigkeit kann man verschiedene Maßnahmen ergreifen, je nach Ursache und Schweregrad. Dazu gehören der Einsatz von Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten, regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen der Hörhilfen, teilweise medikamentöse Behandlungen oder Operationen. Zudem kann eine angepasste Kommunikation und der Einsatz spezieller hörunterstützender Technologien im Alltag hilfreich sein.

Portrait von Dr. med. Volker Kratzsch
Facharzt für Innere Medizin und Rehabilitationswesen

Chefarzt Abt. Hören, Tinnitus & Schwindel-Erkrankungen