Glücksspielsucht

Portrait Swetlana Schmied
Swetlana Schmied (Autor:in)
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

Chefärztin

Paracelsus Berghofklinik

Zuletzt aktualisiert: 28.07.2025 | Lesedauer: ca. 19 Min.

Glücksspielsucht ist ein ernstzunehmendes und komplexes Problem, von dem weltweit viele Menschen betroffen sind und das ihr Leben nachhaltig verändert. Die zunehmende Verfügbarkeit von Online- und mobilen Glücksspielen sowie neue Technologien wie Kryptowährungen und Virtual Reality beeinflussen das Spielverhalten und stellen zusätzliche Herausforderungen dar. Dieser Ratgeber bietet einen Überblick über die Verbreitung, die Risikofaktoren und die Faszination des Glücksspiels. Er erläutert, was pathologisches Spielen bedeutet, wie eine Diagnose gestellt wird und welche Symptome typisch sind, einschließlich möglicher Entzugssymptome. Außerdem werden verschiedene Behandlungsmöglichkeiten vorgestellt, mit einem besonderen Fokus auf die Therapie in einer stationären Rehaklinik.

Verbreitung und Risikofaktoren der Glücksspielsucht

Weltweit spielen etwa 26 % der Erwachsenen regelmäßig Glücksspiele, mit teils erheblichen regionalen Unterschieden. In Großbritannien beispielsweise wird geschätzt, dass rund 42 Millionen Menschen mindestens einmal pro Jahr an Glücksspielen teilnehmen. Besonders Online-Glücksspiele, vor allem über mobile Endgeräte, gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung wird durch den technologischen Fortschritt und die weite Verbreitung von Glücksspiel-Apps zusätzlich begünstigt. In Deutschland ergab die repräsentative PAGE-Studie, dass rund 1 % der Bevölkerung im Laufe ihres bisherigen Lebens ein problematisches Glücksspielverhalten entwickelt hat. Epidemiologische Befunde zeigen dabei eine deutlich höhere Betroffenheit von Männern, was sich auch in der Beratungs- und Behandlungspraxis widerspiegelt. In der Altersgruppe der 48- bis 64-Jährigen liegt dieser Anteil bei 0,3 %, während er in der Gesamtgruppe der 14- bis 64-Jährigen bei 1,0 % liegt. Risikofaktoren wie ein niedriger Bildungsstand, Arbeitslosigkeit und ein Migrationshintergrund sind mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Glücksspielprobleme verbunden.

Laut dem Bericht „Globale Glücksspiel-Trends und Statistiken 2024“ wird erwartet, dass der Einsatz von Kryptowährungen sowie Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) in Online-Casinos in den kommenden Jahren weiter zunimmt. Diese Entwicklungen könnten das Spielverhalten nachhaltig verändern und neue Herausforderungen für den Bereich des verantwortungsvollen Spielens mit sich bringen.

Problematisches Glücksspiel tritt häufig gemeinsam mit weiteren psychischen Erkrankungen auf. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigen Betroffene ein deutlich höheres Risiko für zusätzliche Störungen: depressive Erkrankungen treten 3,8-mal häufiger auf, stoffgebundene Suchterkrankungen (einschließlich Tabakkonsum) 3,5-mal und Angststörungen bzw. posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) 3,2-mal häufiger.

Was Glücksspiel so anziehend macht

Spielen macht Spaß: Es fördert Teamfähigkeit und Kreativität. Es hilft, gemeinsame Regeln aufzustellen und Entscheidungen zu treffen. Oft lässt es uns die Zeit vergessen und in Phantasiewelten eintauchen. Wir schulen unsere Feinmotorik, sind mit neuen Reizen konfrontiert oder freuen und ärgern uns über Sieg oder Niederlage. Mal geht es um Nervenkitzel, mal um das Gewinnen von Geld, und oft dient es einfach nur der Entspannung. In der Kindheit gehört Spielen im Grunde zu unseren elementaren Grunderfahrungen und Bedürfnissen. Im kindlichen Spiel werden tiefe emotionale Erfahrungen ermöglicht, Wünsche und Träume realisiert, soziale Rollen eingeübt und auch Vorstellungen von der persönlichen Zukunft entwickelt. Was soll nun daran gefährlich sein?

Spielen ist so alt wie die Menschheit. Bereits 3000 Jahre vor Christus waren Glücksspiele der Menschheit anhand der archäologischen Funde sechsseitiger Würfel in Teilen Chinas und Mesopotamiens bekannt. Entsprechend waren schon rund 500 Jahre vor Christus erste Bemühungen unternommen worden, die Glücksspiele in den Rahmen des „verantwortungsbewussten Spielens“ zu halten, als Themistokles, ein bedeutender Staatsmann und General im antiken Athen, für ein Spielverbot für Staatsbeamte plädierte. Der römische Kaiser Justinian verbot im Römischen Reich etwa 500 Jahre nach Christus jedwede Teilnahme am Glücksspiel und die Folgejahrhunderte waren geprägt durch wechselnde Einstellungen innerhalb verschiedener Gesellschaftsschichten zwischen moralischen Bedenken, gesellschaftlichem „Must-have“, harmlosen Freizeitvergnügen und gerne gesehener staatlicher Einnahmequelle.

Ein Mann sitzt an einem Pokertisch mit Karten in der Hand und konzentriert sich auf das laufende Pokerspiel.

Was ist Glücksspielsucht?

Es gibt Spiele, bei denen es um das Gewinnen von Geld geht: Glücksspiele. Der Reiz eines Geldgewinns macht Glücksspiele so spannend und interessant. Für viele Menschen ist auch das Glücksspielen das, was es sein sollte, ein harmloses Freizeitvergnügen. Einige Menschen erweisen sich jedoch hierzu besonders vulnerabel, entwickeln einen unüberwindbaren Drang, zu spielen, ggf. ungeachtet der negativen finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen.

Die ersten Gewinne – egal, ob kleine oder größere Geldbeträge – werden oft als persönlicher Erfolg gewertet. Schnell wird das Glück im Spiel mit der eigenen Leistungsfähigkeit gleichgesetzt. Das schöne Gefühl, z. B. den Automaten überlistet zu haben, verführt zu immer höheren Einsätzen und dem Trugschluss, dass es auch beim nächsten Mal funktionieren könnte. Scheinbar ist alles noch unter Kontrolle. Das anfänglich moderate Freizeit-Zocken entwickelt sich zu regelmäßigen Besuchen in der Spielhalle.

Wenn das Spielen um Geld oder die virtuelle Welt des Internets mit Gamen, Wetten, Chatten, Surfen oder Streamen den Alltag bestimmt, kann das schwerwiegende Folgen haben. Gesundheit, Lebensqualität, soziale Beziehungen und die finanzielle Existenz geraten zunehmend aus dem Gleichgewicht.

Trotz tiefgreifender Nachteile können Betroffene mit dem Glücksspielen nicht mehr aufhören. Sie spielen immer weiter – bis alles Geld verspielt ist. Ein unwiderstehlicher Drang treibt sie zum Glücksspiel, in der Hoffnung, zu gewinnen oder verlorenes Geld zurückzugewinnen. Diese Menschen können zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr entscheiden, ob sie dem Glücksspiel wirklich nachgehen möchten und verlieren nach und nach die Kontrolle bzw. Steuerung über ihr Spielverhalten. Immer öfter kommt es zum Totalverlust des gesamten Einsatzes. Angetrieben von der Vorstellung, verlorenes Geld zurückzugewinnen wird die Risikobereitschaft größer und eine Eigendynamik setzt ein. Gleichzeitig wird das Glücksspiel vor Freunden und Familie verheimlicht

Die mittlerweile krankhaft Spielenden versprechen sich selbst und ihrem Umfeld immer wieder, mit dem Glücksspiel aufzuhören. Doch das Scheitern führt zu Selbstverachtung, Scham und Verzweiflung. Die Abwärtsspirale dreht sich unaufhörlich weiter, mit oft verheerenden Folgen für Psyche, Beziehungen und Existenz. In solchen Fällen spricht man von Glücksspielsucht oder von krankhaftem bzw. pathologischem Glücksspiel. Medizinisch wird die Erkrankung unter dem Diagnoseschlüssel F63.0 im internationalen Klassifikationssystem ICD-10 geführt – als „Pathologisches Spielen“. Weitere geläufige Bezeichnungen sind „Glücksspielabhängigkeit“, „Spielsucht“ oder „problematisches Glücksspielverhalten“.

In der englischen Sprache wird zwischen „to play“ (spielen) und „to gamble“ (glücksspielen) unterschieden. In der deutschen Sprache gibt es diese Unterscheidung nicht. Eine mögliche Erklärung dafür, dass wir umgangssprachlich von „Spielern“ und „Spielsucht“ statt von „Glücksspielern“ und „Glücksspielsucht“ sprechen und damit die Erkrankung verharmlosen.

Diagnose einer Glücksspielsucht

Die Diagnose wird anhand der Kriterien des in Deutschland anerkannten ICD-Systems und des im englischsprachigen Raum gebräuchlichen DSM-Systems gestellt. Dies erfolgt durch Facharzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapie, psychologische Psychotherapeut:innen oder durch eine örtliche Suchtberatungsstelle, die anonyme und kostenfreie Beratungsgespräche anbietet.

Relevante diagnostische Kriterien einer pathologischen Glücksspielsucht sind: 

  1. Wiederholtes und häufiges Glücksspiel: Betroffene verspüren einen starken Drang oder Zwang, häufig Glücksspiele zu spielen, unabhängig von den Konsequenzen.
  2. Verlust der Kontrolle: Betroffene haben Schwierigkeiten, die Kontrolle über die Häufigkeit und Dauer des Glücksspielens zu behalten. Es fällt ihnen schwer, das Spielen zu unterlassen oder einzuschränken.
  3. Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen: Trotz negativer Auswirkungen, wie finanzieller Probleme, Beziehungsproblemen oder beruflicher Schwierigkeiten, setzen Betroffene das Glücksspiel fort.
  4. Gedanken und Verlangen nach Glücksspiel: Es besteht eine anhaltende Beschäftigung mit dem Glücksspiel, z. B. durch Gedanken an vergangene Spielerlebnisse oder Planungen für zukünftiges Spielen.
  5. Nutzung des Glücksspiels zur Flucht: Oft wird das Glücksspiel als Mittel genutzt, um unangenehme Gefühle wie Stress, Schuld, Angst oder Depressionen zu vermeiden.
  6. Wiederholtes erfolgloses Kontrollieren: Betroffene unternehmen wiederholt erfolglose Versuche, das Spielen zu kontrollieren, zu reduzieren oder aufzugeben.
  7. Toleranzentwicklung: Es ist eine Zunahme der Einsätze notwendig, um die gewünschte Erregung zu erreichen, ähnlich wie bei Substanzabhängigkeiten.

Diese Kriterien müssen über einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten bestehen, um eine Diagnose von pathologischem Spielen stellen zu können.

Typische Symptome und Warnsignale

Die Symptome des Glücksspielens sind sehr unterschiedlich und individuell ausgeprägt. Die Betroffenen verspüren zunächst eine angenehme Spannung und Nervenkitzel beim Spiel, evtl. Gefühl der Überlegenheit, können aktuelle Konflikte und Probleme beim Spielen „vergessen“, verspüren weniger „Langeweile“, fühlen sich beim Spielen nicht mehr einsam, erhoffen einen Ausgleich der finanziellen Verluste. Die negativen Gefühle wie Leere und Erschöpfung, depressive Stimmung, innere Spannung, Ängste und oder niedriges Selbstwertgefühl können durch das Spielen verdrängt und betäubt werden. Mit dem zunehmend stärkeren Sog des Teufelskreises Spielsucht kommt es zum sozialen Rückzug, Vereinsamung, Herabsinken des Selbstwertes und Schuldgefühlen, massiven finanziellen Verlusten, Zunahme der depressiven Beschwerden bis hin zu lebensmüden Gedanken.

Grafik zum Teufelskreis der Glücksspielsucht: Auslöser, Suchtverhalten und Folgen verstärken sich wechselseitig und halten die Abhängigkeit aufrecht.

Das pathologische Glücksspielen führt in den meisten Fällen zu starken Einschränkungen im Alltag. Die Gedanken drehen sich immer weniger um soziale oder berufliche Themen, sondern ausschließlich um das nächste Spiel und das dafür benötigte Geld. Die Glücksspielsucht bestimmt den kompletten Tagesrhythmus. Denn wenn auch am Anfang noch kleine Einsätze und Gewinne zu Euphorie führten, brauchen die Glücksspielenden immer höhere Anreize, um den gewünschten Kick zu erreichen.

Kann aus irgendeinem Grund nicht gespielt werden, werden Glücksspielabhängige unruhig und gereizt. Der immer wieder erlebte Kontrollverlust führt zu Ängsten und Schuldgefühlen, die mit neuen Spielrunden verdrängt werden. Freunde und Familie werden belogen, um das wahre Ausmaß zu vertuschen. Der Suchtdruck führt Betroffene zu immer neuen Versuchen, verlorenes Geld zurückzugewinnen.

Entzugssymptome bei Spielverzicht

Wie bei anderen Suchterkrankungen kann sich auch ein möglicher Spielentzug in körperlichen und psychischen Symptomen bei den Betroffenen zeigen. Diese können sein: 

  • Innere Spannung und Unruhe
  • Schlafschwierigkeiten und -störungen
  • Ängste und Depressionen
  • Gereizte Stimmung
  • Nervosität und Zittern
  • Aggressivität
  • Gefühle von innerer Leere
  • Selbstzweifel und Schuldgefühle
  • Schmerzen

Wenn das Spielen zum zentralen Lebensinhalt wird, drohen darüber hinaus gravierende soziale und existenzielle Folgen: Partnerschaften zerbrechen, Freundschaften gehen verloren, der soziale Rückzug führt zur Isolation. Strafverfahren, Jobverlust und massive finanzielle Probleme sind keine Seltenheit. Hinzu kommen häufig psychosomatische Beschwerden, depressive Episoden – bis hin zu suizidalen Gedanken oder Versuchen.

Therapieoptionen: ambulant und stationär

Die Behandlung pathologischer Glücksspieler:innen kann sowohl im ambulanten als auch im stationären Rahmen erfolgen. Erste sinnvolle Anlaufstelle für eine Behandlung ist in jedem Fall eine regionale Suchtbehandlungsstelle. Sie bietet Hilfestellungen bei Fragen zu den Behandlungsmöglichkeiten und bei der Antragsstellung. Darüber hinaus sind Selbsthilfegruppen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung weiterführende Unterstützungsstellen. Alle Stellen bieten anonyme, vertrauliche und kostenfreie Beratung. Zusammen mit den Experten wird gemeinsam entschieden, welche Behandlungsform im individuellen Fall am günstigsten ist.

Sind die sozialen und psychischen Folgen der Glücksspielsucht noch gering ausgeprägt, kann eine Behandlung im ambulanten Setting sinnvoll sein. Ambulant behandelte Patient:innen sollten ausreichend sozial integriert sein und auf eine stabile Wohnsituation, verbindliche soziale Bezüge sowie auf eine berufliche Integration zurückgreifen können. Als praktikabel erweist sich eine ambulante Therapie dann, wenn z. B. die berufliche Tätigkeit weiterhin ausgeübt werden oder die Kinderbetreuung gewährleistet sein muss. Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer ambulanten Therapie sind die regelmäßige Teilnahme, eine aktive Mitarbeit sowie die Glücksspielabstinenz. Die ambulante Therapieform erstreckt sich über einen Zeitraum von 1 bis 2 Jahren. 

Wenn die soziale Integration sowie die beruflichen und sozialen Bezüge nicht mehr ausreichend gegeben sind, ist eine stationäre Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung sinnvoll.

Stationäre Reha: Wann sie sinnvoll ist

Wesentliche Vorteile einer stationären Rehabilitationsbehandlung sind:

  • die jederzeit verfügbare ärztliche und psychotherapeutische Hilfe sowie
  • das geschützte Setting.

Insbesondere der geschützte Rahmen verhilft den Patientinnen und Patienten, auf das Glücksspielen zu verzichten und innerlich Abstand zu gewinnen. Der belastende Alltag rückt für eine Zeit in den Hintergrund und die eigene Gesundheit steht im Mittelpunkt. Die Therapie kann helfen, sich der Hintergründe des Suchtverhaltens bewusster zu werden und Ideen oder Strategien zu entwickeln, um sich allmählich davon zu lösen.

Bei Aufnahme in ein stationäres Behandlungssetting wird üblicherweise ein gesonderter Behandlungsvertrag mit den Betroffenen unterschrieben. Darin werden Rahmenbedingungen zum Gewährleisten eines geschützten Raums festgehalten.  Die Betroffenen verpflichten sich, während der Behandlung auf Glücksspiel und Gesellschaftsspiele ohne Geldeinsatz wie Würfel- oder Kartenspiele zu verzichten. Die mitgebrachten Geräte zur Mediennutzung wie Smartphone und Notebooks werden freiwillig abgegeben, damit die Betroffenen ihre Erfahrungen mit sozialen Kontakten und Interaktionsmöglichkeiten ungestört sammeln können und sich nicht in die virtuelle Welt zurückziehen. Eine Offenlegung der finanziellen Situation und ein unmittelbarer Beginn von notwendigen Schuldenregulierungen sowie Einrichten eines Selbstausschlusses durch Eintrag in das OASIS-System für eine bundesweite Sperre in allen Glücksspieleinrichtungen und bei lizenzierten Online-Anbietern ist weiterhin sinnvoll. Weitere freiwillige Einschränkungen können bei Bedarf vereinbart werden. 

Eine stationäre Behandlung bei einer Pathologischen Glücksspielsucht dauert mindestens 5 Wochen und beinhaltet:

  • Gruppen- und Einzelpsychotherapie
  • Sport- und Bewegungstherapie
  • Kunst- und Kreativtherapie
  • Entspannungsverfahren
  • Sozialarbeiterische und ärztliche Unterstützung

Die individuellen Therapieziele werden zu Beginn der Behandlung vereinbart und im Verlauf ggf. angepasst. Wesentliche Therapieziele können sein:

  • Dauerhafte Glücksspielabstinenz
  • Kontrollierter Umgang mit elektronischen Medien
  • Auseinandersetzung mit der Abhängigkeitsthematik und ihren Bedingungen
  • Konflikte und Probleme konstruktiv bewältigen lernen
  • Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stärken
  • Gefühle wahrnehmen und zum Ausdruck bringen
  • Beziehungsfähigkeit entwickeln und soziale Kontakte aufbauen
  • Existenzielle Grundlagen überprüfen und regulieren
  • Sinnvolle Alternativen für die Lebens- und Freizeitgestaltung entwickeln
  • Erwerbsfähigkeit wiederherstellen und berufliche Perspektiven für den weiteren Lebensweg entwickeln
Abbildung eines Glückspielautomatens in Bezug auf pathologisches Spielen.
Pathologisches Spielen: Die Diagnose erfolgt durch Ärzt:innen oder eine Suchtberatungsstelle.

So hilft Reha: Der 5-Schritte-Plan

Die Rehabilitationsbehandlung erfolgt in mehreren Stufen. Am Beispiel der Paracelsus Berghofklinik lässt sich der Ablauf einer solchen Behandlung bei Glücksspielsucht in fünf Schritten darstellen:

1. Motivation und Einsicht in die Krankheit fördern 

  • Ziel: Zunächst müssen die Patient:innen erkennen, dass ihr Glücksspielverhalten problematisch ist und sie professionelle Hilfe benötigen. Dies erfordert ein Aufgeben von Leugnen und eine Motivationsarbeit, da viele Spielsüchtige ihr Verhalten zunächst bagatellisieren. 
  • Inhalt: DieTherapeut:innen arbeitet daran, den Patient:innen zu helfen, die negativen Auswirkungen des Glücksspielverhaltens auf das eigene Leben und die Beziehungen zu erkennen. Hierbei wird oft auf konkrete Verluste, emotionale Belastungen oder berufliche und soziale Probleme hingewiesen. Es wird außerdem ergründet, welchen Reiz das Glücksspiele auf die Betroffenen ausübt bzw. aus welchen Erwartungen das Glücksspiel benutzt wird (häufig werden Bedürfnis nach Anerkennung, Freiheit und Unabhängigkeit, Fluchtversuch von unangenehmen Affekten, Bedürfnis nach Erfolg und Konkurrenzdenken angegeben) 
  • Techniken: Motivationsgespräche und reflektierende Fragen, um das Bewusstsein für das Ausmaß der Sucht zu stärken. 

2. Aufdeckung unbewusster Konflikte 

  • Ziel: Spielsucht wird als Symptom tieferliegender emotionaler Konflikte oder unbewusster psychologischer Probleme gesehen. Der zweite Schritt konzentriert sich darauf, diese unbewussten Konflikte und inneren Spannungen (Bedürfnis nach allumfassendem Machtgefühl besonders in den Momenten der Hilflosigkeit, Gefühle der Großartigkeit und magisches Denken) aufzudecken. 
  • Inhalt: In diesem Schritt wird herausgearbeitet, wie das Glücksspiel als Fluchtmechanismus vor emotionalen Problemen wie Angst, Depression, oder innerer Leere verwendet wird. Das Glücksspielverhalten wird als eine Form der „Selbstmedikation“ verstanden, um schwer erträgliche emotionale Zustände zu bewältigen. 
  • Techniken: Tiefenpsychologische Gesprächsführung, biographische Arbeit, Analyse der Träume oder freie Assoziationen, um Einblicke in unbewusste Motive zu gewinnen. 

3. Bearbeitung von Übertragung und Gegenübertragung 

  • Ziel: Die Beziehung zwischen Therapeut:innen und Patient:innen spielt eine entscheidende Rolle. Im dritten Schritt wird untersucht, wie Patient:innen frühere Beziehungsmuster in die therapeutische Beziehung übertagen (Übertragung) und wie die Therapeut:innen darauf reagieren (Gegenübertragung). 
  • Inhalt: Spielsüchtige neigen dazu, Beziehungsmuster, die sie in der Vergangenheit erlebt haben, in der therapeutischen Beziehung wieder aufleben zu lassen. Diese Muster können emotionale Abhängigkeit, Misstrauen oder übermäßiges Verlangen nach Anerkennung umfassen. Die Therapeut:innen nutzen diese Dynamiken, um den Patient:innen zu helfen, diese Muster zu erkennen und zu verändern. Zusätzlich werden Gründe für Chasing hinterfragt, um einem Rückfall vorzubeugen. Meistens dieses wiederholte Spielen mit ggf. höheren Einsätzen als Verteidigungsmechanismus gegen Schuld und Scham sowie ein Konkurrenzdenken verwendet. 
  • Techniken: Reflexion und Analyse der Beziehungsmuster, die im therapeutischen Kontext auftreten. DieTherapeut:innen interpretieren und hinterfragen, wie diese Muster mit der Spielsucht zusammenhängen. 

4. Entwicklung alternativer Bewältigungsstrategien

  • Ziel: An diesem Punkt arbeiteten die Therapeut:innen mit den Patient:innen daran, neue, gesunde Mechanismen zur Stressbewältigung und Emotionsregulation zu entwickeln, die das pathologische Spielverhalten ersetzen, da die bisher genutzten dysfunktionalen Selbstmedikationsversuche über das pathologische Glücksspiel die Ursprungsprobleme eher vergrößert.
  • Inhalt: Der Fokus liegt darauf, den Patient:innen zu helfen, mit negativen Emotionen wie Angst, Frustration oder Langeweile auf eine konstruktive Weise umzugehen. Dies könnte das Erlernen neuer sozialer Fähigkeiten, das Erkennen von Stressauslösern und das Finden alternativer Freizeitaktivitäten beinhalten, die keine Sucht auslösen. Es wird außerdem ein realistischer Blick auf das Spielverhalten gefördert, wobei die bestehenden Schuld- und Schamgefühle in das Verantwortungsbewusstsein umgewandelt werden. 
  • Techniken: Problemlösungstraining, Achtsamkeitstechniken und Emotionsregulationstechniken. Die Therapeut:innen helfen, alternative Verhaltensweisen zu entwickeln, die den Patient:innen langfristig bessere Ergebnisse liefern als das Glücksspiel. 

5. Stärkung von Autonomie und Selbstwertgefühl

  • Ziel: Der letzte Schritt zielt darauf ab, das Selbstwertgefühl und die Autonomie der Patient:innen zu stärken, damit er langfristig unabhängiger und emotional stabiler wird. Ein starkes Selbstwertgefühl kann die Rückfallgefahr minimieren. 
  • Inhalt: Viele Spielsüchtige haben ein geringes Selbstwertgefühl und sind auf die kurzfristige Aufregung und Belohnung durch das Glücksspiel angewiesen, um sich gut zu fühlen. Die Therapeut:innen arbeiten mit dem Patient:innen daran, ein stabileres, unabhängigeres Selbstwertgefühl zu entwickeln, das nicht auf externen Belohnungen wie Glücksspiel basiert. 
  • Techniken: Selbstwertstärkende Interventionen, Förderung von Selbstverantwortung und Unterstützung beim Aufbau eines stabilen, positiven Selbstbildes. Dabei kann es auch darum gehen, neue Ziele zu setzen, die das Leben der Patient:innen bereichern und ggf. berufliche Perspektiven zu verbessern. 

Fazit

Pathologisches Spielen oder Glücksspielsucht stellt eine ernsthafte psychische Erkrankung dar, die weitreichende negative Auswirkungen auf die Lebensführung der Betroffenen hat. Die Sucht, die ursprünglich als harmloses Freizeitvergnügen beginnen kann, entwickelt sich oft zu einem unkontrollierbaren Verhalten mit schwerwiegenden sozialen, beruflichen und finanziellen Konsequenzen. Die Behandlung erfordert eine individuell angepasste Therapie, die ambulant oder stationär erfolgen kann. Ziel ist es, Betroffene dabei zu unterstützen, ihre Spielsucht zu überwinden und ein ausgeglichenes Leben ohne Spielen zu führen. Wesentlich für die Heilung ist die professionelle Unterstützung durch Therapeut:innen, die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit seitens der Patient:innen sowie die Nutzung von Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen.

Häufige Fragen zu Glücksspielsucht

Was ist ein pathologisches Spielverhalten?

Pathologisches Spielverhalten, auch bekannt als Glücksspielsucht, beschreibt eine zwanghafte und unkontrollierbare Beteiligung am Glücksspiel, bei der das Spielen die Lebensführung der Person dominiert und zu erheblichen persönlichen, sozialen, beruflichen und finanziellen Problemen führt. Trotz negativer Konsequenzen wird das Spielen fortgesetzt, was die Betroffenen in eine Spirale aus Verlusten und weiterem Spielen zieht.

Welche Warnsignale deuten auf ein problematisches oder pathologisches Glücksspielverhalten hin?

Typische Anzeichen für ein problematisches oder pathologisches Spielverhalten sind ein starker innerer Drang zu spielen, der Verlust der Kontrolle über Spieldauer und Einsätze sowie wiederholte, erfolglose Versuche, das Spielen zu beenden. Betroffene verheimlichen ihr Spielverhalten häufig, vernachlässigen Beziehungen, Beruf oder Ausbildung und geraten nicht selten in finanzielle Schwierigkeiten. Oft wird das Spielen als Flucht vor innerem Stress, Langeweile oder negativen Gefühlen genutzt.

Ist Glücksspielsucht eine anerkannte Krankheit?

Ja, Glücksspielsucht ist als Krankheit anerkannt und wird in den diagnostischen Leitfäden wie dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) und der International Classification of Diseases (ICD) als Störung der Impulskontrolle aufgeführt. Diese Anerkennung unterstreicht die Notwendigkeit einer professionellen Behandlung und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für das Problem.

Was charakterisiert krankhaftes Glücksspiel?

Krankhaftes Glücksspiel ist durch anhaltendes, wiederkehrendes Glücksspielverhalten gekennzeichnet, das zu klinisch signifikanten Beeinträchtigungen oder Leiden führt. Typische Merkmale sind das fortgesetzte Glücksspiel trotz negativer Konsequenzen, der Verlust der Kontrolle über das Spielen, das Vortäuschen oder Verbergen der eigenen Spielgewohnheiten und das Empfinden von Unruhe oder Reizbarkeit beim Versuch, das Spielen zu reduzieren oder zu beenden.

Quellen

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