Fünf Fragen an Prof. Dr. Matthias Köhler 12.08.2025

Portrait von Gina-Sophie Labahn.
Gina-Sophie Labahn (Autor:in)
M.Sc. Public Health and Administration

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
DAS REHAPORTAL

Zuletzt aktualisiert: 19.08.2025 | Lesedauer: ca. 6 Min.
Portrait von Prof. Dr. Matthias Köhler mit dem Schriftzug "Fünf Fragen an ... Prof. Dr. Matthias Köhler"

Prof. Dr. Matthias Köhler, Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie

Prof. Dr. Matthias Köhler ist als Chief Medical Officer in der Geschäftsführung der VAMED care Deutschland tätig, dem zweitgrößten Anbieter für ambulante und stationäre Reha-Leistungen in Deutschland. Seine Weiterbildungszeit absolvierte er an den Universitätskliniken der FAU Erlangen-Nürnberg und der Charité Berlin und habilitierte über zellbiologische Grundlagenforschung auf dem Gebiet des nukleo-zytoplasmatischen Proteintransports während seiner Zeit als Helmholtz Fellow am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin-Buch. Danach war er als Ärztlicher Leiter der Dialyse- und der nephrologischen Reha-Abteilung sowie als Ärztlicher Direktor an der Ostseeklinik bzw. Rehaklinik Damp tätig. Seit 2018 unterstützt er in der AG Ergebnismessung des REHAPORTALs den Aufbau eines trägerübergreifenden Benchmarkings nach Ergebnisqualität auf Basis international empfohlener PROMs.

Welche Rolle spielen PROMs heute in der Versorgung – und worin unterscheidet sich das von ihrer ursprünglichen Nutzung als reines Befragungsinstrument?

Prof. Dr. Matthias Köhler:  In der Vergangenheit hat man sich in der klinischen Forschung sehr stark auf sogenannte harte klinische Endpunkte wie Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall fokussiert. Diese Kriterien sind natürlich extrem wichtig, wenn man den Erfolg medizinischer Behandlungsansätze beurteilen möchte. Mittlerweile setzt sich jedoch zunehmend der Aspekt durch, dass es bei der Outcome-Messung in der Medizin um mehr als das reine Überleben gehen sollte. Daher werden bei klinischen Studien immer häufiger PROMs eingesetzt, um den Verlauf spezifischer Krankheitssymptome aber auch der allgemeinen gesundheitsbezogenen Lebensqualität zu erheben. Erfreulicherweise finden PROMs zunehmend Eingang in die Qualitätssicherung und tragen zur Evidenzgenerierung unter expliziter Berücksichtigung der Patientenperspektive bei.  
Ein weiterer Aspekt ist der Einsatz von PROMs zur individuellen Therapiesteuerung im Rahmen des sogenannten „shared decision-makings“. Auf Basis vorliegender PROM-Ergebnisse können Behandler und Patient gemeinsam die nächsten Therapieschritte entscheiden. Dies führt nachgewiesenermaßen wiederum im weiteren klinischen Verlauf zu besseren PROM-Ergebnissen und macht so „Patienten und Ärzte glücklicher“, wie bereits vor Jahren in einem Artikel im New England Journal of Medicine konstatiert wurde.

Welche Kriterien sind aus methodischer Sicht entscheidend, damit ein PROM verlässlich und vergleichbar zwischen Einrichtungen eingesetzt werden kann?

Prof. Dr. Matthias Köhler: Damit auf Basis von PROMs Unterschiede in der Behandlungsqualität aus Patientensicht verlässlich zwischen Einrichtungen abgebildet werden können, sind mehrere Voraussetzungen wichtig. Zum einen sollten PROMs gewählt werden, die auch zuverlässig die Symptome erfassen, die im weiteren Verlauf durch die Behandlung gebessert bzw. deren weitere Verschlechterung aufgehalten werden sollen. In aller Regel wird empfohlen, zusätzlich zu krankheitsspezifischen PROMs auch generische PROMs einzusetzen, welche die körperlichen und die mentalen Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität berücksichtigen. Des Weiteren sollte berücksichtigt werden, ob man im zu untersuchenden Befragungsintervall auch tatsächlich mit einer Veränderung der Symptome rechnen kann. D.h. man muss die Änderungssensitivität der PROMs berücksichtigen. Sinnvoll ist auch, PROMs zu verwenden, die international empfohlen werden, um die Ergebnisse im Kontext entsprechender Studien besser einordnen zu können. Besonders wichtig ist die Durchführung einer validen Risikoadjustierung, ansonsten vergleicht man sehr schnell Äpfel mit Birnen und kann nicht wirklich eine zuverlässige Aussage treffen. Insofern spricht sehr viel dafür, dass man zunächst unter wissenschaftlicher Begleitung sorgfältige Studien durchführen sollte, bevor man PROMs heranzieht, um ein Benchmarking klinischer Einrichtungen nach Ergebnisqualität durchzuführen. Umgekehrt kann dies unter Berücksichtigung der genannten Kriterien dann eine sehr valide Basis für den Vergleich medizinischer Einrichtungen auf Outcome-Basis sein. Bei transparentem Public Reporting können solche Benchmarks die Patienten bei der Auswahl der für ihre medizinischen Probleme geeignetsten Einrichtung sehr hilfreich unterstützen.

Viele Patient:innen empfinden PROMs-Fragen als wenig passend oder schwer verständlich. Wie lässt sich erreichen, dass Fragebögen wissenschaftlich belastbar bleiben und trotzdem gut zur individuellen Situation passen?

Prof. Dr. Matthias Köhler: Da krankheitsbezogene Symptome individuell sehr unterschiedlich auftreten und wahrgenommen werden, ist es zunächst naheliegend, auch entsprechend viele Fragen aufzuführen, um ein zuverlässiges und umfassendes individuelles Bild erheben zu können. Je mehr Fragen gestellt werden, umso mehr sinkt jedoch auch die Motivation von Patienten, ausführliche Fragebögen wiederholt im Krankheitsverlauf zu beantworten. Eine Möglichkeit, dies zu umgehen, ist die sogenannte Computer-adaptive Testung. Je nach Antwort auf die erste Frage werden bei dieser Methode weitere Folgefragen entsprechend zunehmend spezifisch angepasst, so dass mit deutlich weniger Fragen sehr genaue Ergebnisse erzielt werden können. 

Welche Potenziale sehen Sie für die Weiterentwicklung von PROMs in Bezug auf bestimmte Indikationsbereiche oder Zielgruppen?

Prof. Dr. Matthias Köhler: Hier hat sich in den vergangenen Jahren schon sehr viel getan. Internationale Expertengruppen haben zahlreiche Empfehlungen für zu erhebende PROMs für diverse Krankheitsentitäten erstellt. Wie bereits angesprochen kann eine Krankheit -gerade in Verbindung mit weiteren bestehenden Komorbiditäten - sehr unterschiedliche Beschwerden und Einschränkungen wichtiger Alltagsaktivitäten verursachen. Dies kann zu individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten Beeinträchtigungen mentaler wie körperlicher Dimensionen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben führen. Daher besteht eine der großen Herausforderungen darin, ein möglichst umfassendes Bild des jeweiligen Individuums mit gleichzeitig möglichst wenigen Fragen zu erheben. Hier erwarte ich insbesondere von der bereits erwähnten Entwicklung im Bereich des Computer-adaptiven Testings weitere positive Impulse.

Wie steht es um die internationale Vergleichbarkeit von PROMs, die im deutschen Reha-System eingesetzt werden?

Prof. Dr. Matthias Köhler: Nach meinem Kenntnisstand gibt es im deutschen Reha-System derzeit zwei wichtige Institutionen, die an der Etablierung eines auf Ergebnisqualität ausgerichteten trägerübergreifenden transparenten Benchmarksystems auf Basis von PROMs arbeiten: DAS REHAPORTAL von Qualitätskliniken.de unter wissenschaftlicher Leitung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und die Reha-Toolbox der Deutschen Rentenversicherung Bund unter wissenschaftlicher Federführung der Charité. Für beide Initiativen, die auch untereinander im Austausch stehen, war es von Beginn an wichtig, sich auf PROMs zu konzentrieren, die von internationalen Expertengremien empfohlen werden, wie die PROMIS-Datenbank oder die ICHOM-Empfehlungen. 

DAS REHAPORTAL führt PROMs-Studien in verschiedenen Fachbereichen durch. Bisher wurden rund 30.000 Patient:innen zu ihrem Behandlungserfolg befragt.

Weitere Informationen zu unseren PROMs-Studien