Fünf Fragen an Alexander Mühlhause 18.08.2025

Portrait von Gina-Sophie Labahn.
Gina-Sophie Labahn (Autor:in)
M.Sc. Public Health and Administration

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
DAS REHAPORTAL

Zuletzt aktualisiert: 19.08.2025 | Lesedauer: ca. 9 Min.
Portrait von Alexander Mühlhause mit dem Schriftzug "Fünf Fragen an ... Alexander Mühlhause"

Alexander Mühlhause , M.A. Business - Health Management

Alexander Mühlhause ist Kaufmännischer Leiter und Leiter der Produktentwicklung bei DAS REHAPORTAL. Seit 2014 gehört er zum Team und verantwortet die Bereiche Projektmanagement, Finanzen und Controlling. Sein Schwerpunkt liegt auf der technischen Weiterentwicklung der Webseite, der Gestaltung von Kooperationen sowie der Umsetzung wissenschaftlicher Projekte.

Er studierte Business – Health Management an der bbw Hochschule in Berlin und absolvierte zuvor betriebswirtschaftliche Studiengänge an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, der Fernuniversität Hagen und der Universität Leipzig. Berufliche Erfahrungen sammelte er im Bau- und Projektmanagement bei VAMED und den Helios Kliniken sowie in der Immobilienwirtschaft, mit einem Fokus auf Risiko- und Qualitätsmanagement. 

Warum ist Transparenz über Behandlungsergebnisse für Patient:innen in der Reha besonders bedeutsam?

Alexander Mühlhause:  Transparenz über Behandlungsergebnisse ist für Reha-Patient:innen aus mehreren Gründen wichtig. Dabei gibt es zwei Ebenen: die individuelle, bei der Patient:innen direkt über ihre Ergebnisse informiert werden, und die institutionelle, bei der Ergebnisse auf Einrichtungsebene veröffentlicht werden, etwa im Rahmen eines Public Reporting.
Auf individueller Ebene beginnt Transparenz bereits mit der strukturierten Erhebung des Gesundheitszustands zu Beginn der Reha. Diese systematische Erfassung schafft für Behandelnde und Patient:innen eine gemeinsame Ausgangsbasis. Am Ende der Reha, etwa im Entlassgespräch, kann darauf aufbauend nachvollzogen werden, welche Fortschritte erreicht wurden. Das stärkt das Vertrauen in den eigenen Genesungsprozess, motiviert zur weiteren aktiven Mitwirkung und macht die Leistung der Klinik für Patient:innen sichtbar. Wird zusätzlich der langfristige Behandlungserfolg erfasst, lassen sich auch spätere Gesundheitsverbesserungen dokumentieren. So wird die nachhaltige Wirksamkeit der Reha deutlich und ihr Nutzen nachvollziehbar.
Auch auf systemischer Ebene ist Transparenz wichtig, besonders bei stationären Einrichtungen mit überregionalem Einzugsgebiet. Patient:innen fehlt hier oft das Erfahrungswissen, wie es bei wohnortnahen Angeboten vorhanden ist. Eine Auswertung von über 250.000 Patientenerfahrungen durch DAS REHAPORTAL zeigt: Image spielt bei der Klinikwahl nur eine untergeordnete Rolle. Stattdessen zählen Empfehlungen, meist von Ärzt:innen oder Kostenträgern. Dabei wird oft stillschweigend angenommen, dass diese Kliniken gute Ergebnisse liefern. Genau hier hilft Transparenz: Sie erlaubt eine realistische Einschätzung der Qualität und unterstützt informierte Entscheidungen. Wer weiß, dass eine Klinik nachweislich gute Ergebnisse erzielt, bringt ihr mehr Vertrauen entgegen, ist motivierter und beteiligt sich aktiver am Rehaprozess. Das verbessert nicht nur die individuellen Behandlungsergebnisse, sondern steigert auch die Zufriedenheit mit der gesamten Rehaerfahrung.
Auch für das Gesundheitssystem bringt Transparenz Vorteile: Sie ermöglicht Vergleich, fördert Qualitätswettbewerb und Anreize zur Verbesserung. So entwickelt sich die Reha in Richtung einer wertorientierten Versorgung weiter, bei der echte Ergebnisse zählen, ganz im Sinne von Value Based Healthcare. Davon profitieren Patient:innen und die Gesellschaft.
Damit Transparenz ihre steuernde Wirkung entfalten kann, müssen wichtige Voraussetzungen erfüllt sein. Patient:innen sollten gut informiert sein, zum Beispiel über den Zugang zur Reha und insbesondere über ihr Wunsch- und Wahlrecht. Die Informationen zu Behandlungsergebnissen müssen für Patient:innen ebenso wie für Einweisende leicht auffindbar, verständlich und im Alltag nutzbar aufbereitet sein. Entscheidend ist außerdem, dass in den Rehakliniken genügend Kapazitäten vorhanden sind, damit informierte Entscheidungen tatsächlich umgesetzt werden können.

Was sind aus Ihrer Sicht zentrale Erfolgsfaktoren für eine verständliche Ergebnisdarstellung?

Alexander Mühlhause: Ein zentrales Ziel der Ergebnisdarstellung ist es, komplexe medizinische Informationen so aufzubereiten, dass Patient:innen sie verstehen, einordnen und für ihre persönliche Entscheidung nutzen können. Dafür braucht es vor allem drei Dinge: Verständlichkeit, Relevanz und Vertrauen.
Zur Verständlichkeit gehört nicht nur eine klare Sprache, sondern auch eine visuell unterstützte Darstellung. Einfache Bewertungssysteme wie farbliche Ampellogik, Symbole oder Balkendiagramme helfen dabei, auf einen Blick zu erfassen, wie eine Klinik im Vergleich abschneidet. Auch "gelernte" Kennzahlen und Wertebereiche, wie ein Indexwert auf einer 100 %-Skala oder die Darstellung in Schulnoten, können zur Orientierung beitragen, da sie intuitiv verstanden werden. Medizinische Fachbegriffe oder statistische Kennzahlen müssen so erklärt werden, dass sie auch ohne Vorkenntnisse verständlich sind. Gleichzeitig ist es wichtig, Inhalte differenziert, aber nachvollziehbar darzustellen.
Relevanz bedeutet, dass genau die Informationen dargestellt werden, die für Patient:innen im Entscheidungsprozess wichtig sind. Dazu gehören neben medizinischen Ergebnissen auch Zufriedenheitswerte, Aspekte der persönlichen Betreuung oder organisatorische Faktoren wie Wartezeiten. Die Darstellung sollte sich an den tatsächlichen Fragen orientieren, die sich Menschen vor einer Reha stellen.
Transparenz schafft Vertrauen. Es muss nachvollziehbar sein, woher die Daten stammen, wie sie erhoben wurden und was sie aussagen. Wenn die Ergebnisse nachvollziehbar sind, steigt auch die Bereitschaft, diese in die eigene Entscheidung einzubeziehen.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Zugänglichkeit. Die Informationen müssen dort verfügbar sein, wo Patient:innen nach Orientierung suchen. Heute ist das meist online und häufig schon vor dem eigentlichen Antragsprozess. Deshalb ist es wichtig, dass Ergebnisdarstellungen auf Patientenportalen, Klinik-Webseiten oder bei den Informationsangeboten der Kostenträger gut auffindbar und verständlich präsentiert werden.

Wie stehen Rehakliniken Ihrer Erfahrung nach zur öffentlichen Darstellung ihrer Qualität, auch wenn dabei Schwächen sichtbar werden?

Alexander Mühlhause:  Als ich vor über zehn Jahren im Rehasektor begonnen habe, hätte ich erwartet, dass unterdurchschnittliche Ergebnisse zu Diskussionen, Kritik oder Ablehnung führen. Tatsächlich hat sich aber ein anderes Bild gezeigt. Heute besteht im Gesundheitswesen weitgehend Einigkeit darüber, dass es Qualitätsunterschiede zwischen Einrichtungen gibt. Auch auf ärztlicher Seite wird das akzeptiert. 
Die meisten Ärzt:innen sehen Ergebnisberichte eher als konstruktives Feedback denn als Kritik. Aus Managementsicht werden schwächere Ergebnisse zwar nicht begrüßt, aber fast immer als Chance verstanden. Sie bestätigen mitunter vorhandene Eindrücke, liefern einen objektiven Abgleich mit der eigenen Wahrnehmung oder dienen als eine Art externe Beratung. Daraus können gezielt Maßnahmen zur Weiterentwicklung abgeleitet werden.
Ich würde meine Erfahrungen allerdings nicht verallgemeinern. Zum einen habe ich vor allem mit Rehakliniken zu tun, in denen ein echtes Interesse an Transparenz besteht, auch bei schwächeren Ergebnissen. Zum anderen sind viele Rehakliniken derzeit sehr gut ausgelastet. Die steuernde Wirkung von Public Reporting ist dadurch begrenzt. 

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen beim Thema Public Reporting (in der Reha)?

Alexander Mühlhause: Beim Thema Public Reporting gibt es noch Potenzial, sowohl in der Umsetzung als auch im Verständnis seiner Bedeutung. Ein wichtiger Punkt ist die Weiterentwicklung der Kommunikation. Erkenntnisse aus der Wissenschaftskommunikation könnten stärker genutzt werden, um Inhalte verständlicher und zielgruppengerechter aufzubereiten. Auch das Wissen über Public Reporting selbst, also was es leisten kann und wie es funktioniert, ist ausbaufähig. Das gilt für Patient:innen und Akteur:innen im Gesundheitssystem gleichermaßen. Bestehende Angebote sind häufig noch zu wenig bekannt. Der Nutzen für Zuweiser:innen, Krankenkassen oder Mitarbeitende in den Kliniken könnte deutlicher gemacht werden. Hier liegt noch ungenutztes Potenzial.
Der größere Handlungsbedarf liegt jedoch bei der Datenbasis. Die veröffentlichten Ergebnisse sind nur so gut wie die zugrunde liegenden Daten. Und genau hier sehe ich die größte Herausforderung. In vielen Fällen sind die Daten nicht aktuell genug. Sie stammen teilweise aus Zeiträumen, die mehrere Jahre zurückliegen. Dabei wäre Aktualität entscheidend, um fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Zudem handelt es sich oft nur um Stichproben statt um flächendeckende Erhebungen. Zu kleine Fallzahlen oder geringe Vergleichsgruppengrößen führen dazu, dass keine belastbaren Aussagen getroffen werden können. Damit sinkt die Aussagekraft und auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Public Reporting. Eine zukünftig vielversprechende Lösung könnte in der aufwandsarmen, barrierefreien Umsetzung digitaler Befragungen liegen, die eine zeitnahe und umfassende Datenerhebung ermöglichen.

Gibt es Lessons Learned aus dem Reha-Bereich, die auch für die Akutversorgung hilfreich sein könnten?

Alexander Mühlhause: Ein wichtiger Lernprozess im Reha-Bereich ist die zunehmende Anerkennung der Patientenperspektive – etwa durch Shared Decision-Making bei der Festlegung von Rehazielen, die flächendeckende Einführung von Public Reporting oder den gezielten Einsatz von PROMs, also Patient-Reported Outcome Measures. Rehakliniken, Verbände und Kostenträger arbeiten aktuell daran, diese Daten systematisch in die Qualitätsbeurteilung einzubeziehen.
Noch vor einigen Jahren wurde teils infrage gestellt, ob Patient:innen überhaupt in der Lage sind, Behandlungsergebnisse sinnvoll zu bewerten. Heute herrscht ein breiter Konsens darüber, dass die subjektive Sicht der Patient:innen eine wichtige Ergänzung zur medizinischen Ergebnisdokumentation darstellt. Schließlich ist es das Ziel jeder Behandlung, dass es den Menschen besser geht. Der Fokus auf Patient-Reported Outcomes hilft zu erkennen, welche Maßnahmen, Strukturen oder Angebote in Rehakliniken tatsächlich wirksam sind. Gleichzeitig werden Versorgungsbereiche sichtbar, in denen noch Entwicklungspotenzial besteht.
Gerade für die Akutversorgung, die stark von Dokumentationspflichten, Kennzahlen und Leistungsnachweisen geprägt ist, könnten PROMs eine wertvolle Ergänzung sein. Sie lenken den Blick stärker auf das, was für Patient:innen zählt und könnten dabei helfen, überbordende Bürokratie zu hinterfragen und Prozesse gezielt zu entschlacken. Darüber hinaus bieten PROMs eine sehr gute Möglichkeit für eine pragmatische und patientenzentrierte Messung, die sektorenübergreifend angelegt ist und somit den gesamten Behandlungspfad in den Blick nimmt.
Qualität bemisst sich nicht allein an medizinischen Parametern. Entscheidend ist, ob eine Behandlung bei den Menschen, für die sie gedacht ist, tatsächlich etwas bewirkt. Diese Haltung kann auch die Akutversorgung bereichern.