Chronisches Erschöpfungssyndrom

Zuletzt aktualisiert: 19.06.2024 | Lesedauer: ca. 7 Min.

Das Chronische Erschöpfungssyndrom (engl. Chronic Fatigue Syndrome, kurz „CFS“) ist eine neuroimmunologische Erkrankung, die sich durch einen lang anhaltenden und starken Erschöpfungszustand zeigt. CFS-Betroffene leiden unter einer lähmenden geistigen und körperlichen Erschöpfung, die in der Regel in Kombination mit weiteren Beschwerden wie Schmerzen, Überempfindlichkeiten und Konzentrationsstörungen auftreten.

Was ist das Chronische Erschöpfungssyndrom?

Die genauen Ursachen des Chronischen Erschöpfungssyndroms sind bislang noch nicht im Detail erforscht. Wurde CFS früher mehrheitlich als psychische Erkrankung eingestuft, geht die medizinische Fachwelt heute davon aus, dass es sich um eine Multisystemerkrankung handelt. Das Chronische Erschöpfungssyndrom hat bei vielen Betroffenen endokrinologische (die Hormone betreffende), immunologische (das Abwehrsystem betreffende) und neurologische (die Nerven betreffende) Auswirkungen. Trotz seiner noch weitgehend ungeklärten Ursachen ist das Chronische Erschöpfungssyndrom inzwischen als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt.

Es werden erschiedene Namen für das Chronische Erschöpfungssyndrom genutzt. Sie stellen jeweils unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund.

CFS - Chronisches Erschöpfungssyndrom

  • gängiste Bezeichnung
  • Begriff in erster Linie verbunden mit psychosomatischer Erkrankung

SEID - Systemic Exertion Intolerance Disease

  • systematische Belastungsintoleranz-Erkrankung
  • neueste Bezeichnung
  • systemische, den ganzen Körper betreffende Erkrankung
  • charakteristisches Symbol ist die Verschlechterung unter Belastung

ME - Myalgische Enzephalomyelitis

  • Myalgie = Muskelschmerz
  • Enzephalomyelitis = Entzündung von Gehirn und Rückenmark
  • beim CFS sind jedoch keine entzündlichen Veränderungen im Nervensystem nachweisbar

Postvirales Ermüdungssyndrom

  • stellt die Virusinfektion als Auslöser in den Vordergrund
  • nicht zwangsläufig mit dem CFS identisch

Menschen, die unter einem Chronischen Erschöpfungssyndrom leiden, haben eine massiv negativ beeinträchtigte Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Viele Betroffene können keinem geregelten Alltag mehr nachgehen, geschweige denn arbeiten. In schwerwiegenden Fällen sind CFS-Betroffene sogar pflegebedürftig.

Welche Symptome treten beim Chronischen Erschöpfungssyndrom auf?

Aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes mit einer Vielzahl möglicher Symptome, ist das Chronische Erschöpfungssyndrom nach wie vor sehr schwer zu diagnostizieren. Ärzte behelfen sich zur Diagnose mit verschiedenen Kriterienkatalogen. Die beiden am häufigsten verwendeten sind die „Kanadischen Konsenskriterien“ und die „Internationalen Konsenskriterien“.

Laut den Kanadischen Konsenskriterien müssen bei einem Betroffenen alle folgenden Symptome gegeben sein:

  • Fatigue: Neu aufgetretene, unerklärliche, anhaltende oder wiederkehrende körperliche oder mentale Erschöpfung, die das Aktivitätsniveau des Betroffenen erheblich verringert.
  • Post-exertional Malaise und/oder Fatigue: Der Betroffene leidet nach einer Belastung unter ungewöhnlicher Erschöpfung, einer Verstärkung des Krankheitsgefühls, Schmerzen und/oder Verstärkung anderer Symptome. Er braucht mehr als 24 Stunden, um sich wieder zu erholen.
  • Schlafstörungen
  • Schmerzen, wie beispielsweise Muskel-, Gelenk- oder Kopfschmerzen

Zusätzlich zu den genannten Symptomen müssen bei Betroffenen mindestens zwei neurologische bzw. kognitive Ausprägungen vorliegen, wie zum Beispiel Verwirrtheit, Konzentrationsschwächen oder Bewegungsstörungen.

Nach den Kanadischen Konsenskriterien muss für die Diagnose des Chronischen Erschöpfungssyndroms mindestens ein weiteres Symptom in mindestens zwei der folgenden Kategorien auftreten:

  • Autonome Manifestationen: z. B. Herzklopfen mit oder ohne Herzrhythmusstörungen, Schwindel, Übelkeit, Reizdarmsyndrom
  • Neuroendokrine Manifestationen: z. B. Appetitverlust oder gesteigerter Appetit, auffällige Gewichtsveränderungen, niedrige Körpertemperatur, Schweißanfälle
  • Immunologische Manifestationen: z. B. Grippe-ähnliche Symptome, Halsschmerzen, Überempfindlichkeiten gegenüber Medikamenten und Nahrungsmittel

Darüber hinaus müssen die Beschwerden laut den Kanadischen Kriterien mindestens sechs Monate lang bestehen.

Die Internationalen Konsenskriterien sind den Kanadischen Kriterien sehr ähnlich. Lediglich deren Unterteilung und Gewichtung in einzelnen Kategorien weicht etwas ab. Der wesentlichste Unterschied zwischen den Internationalen und Kanadischen Konsenskriterien ist, dass es laut Internationalen Kriterien keine Voraussetzung ist, dass die Symptome mindestens ein halbes Jahr lang bestehen. Ein Arzt kann bei Vorliegen der Symptome bereits früher ein Chronisches Erschöpfungssyndrom attestieren.

Frau liegt auf dem Sofa mit Erschöpfungssymptomen.

Welche Therapien gibt es bei chronischer Erschöpfung?

Die medizinische Fachwelt ist sich bislang nicht einig, wie die ideale Therapie eines Chronischen Erschöpfungssyndroms aussieht. Gegenwärtig gibt es keine medizinisch anerkannte Therapie des Syndroms mit einer nachgewiesenen Wirksamkeit.

Vor dem Hintergrund der großen Bandbreite an Beschwerden, die im Zusammenhang mit chronischer Erschöpfung stehen, sollte die Behandlung individuell an den Betroffenen angepasst sein. Eine Therapie kann sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen beinhalten. Hauptziel der Therapie ist es, die Symptome des Betroffenen zu lindern.

Medikamente bei Chronischer Erschöpfung

Schmerzmittel können beispielsweise die auftretenden Schmerzen wirksam lindern. Bei chronischen (bakteriellen) Infektionen werden Betroffene gezielt mit Antibiotika behandelt. Wenn ein Mangel an Vitaminen oder Mineralstoffen nachweisbar ist, kann dieser mit einer Umstellung der Ernährungsgewohnheiten oder mit speziellen Nahrungsergänzungsmittel ausgeglichen werden. Und sofern die chronische Erschöpfung auch mit einer Depression  verbunden ist, kann eine Behandlung mit Antidepressiva sinnvoll sein.

Verhaltenstherapie bei Chronischer Erschöpfung

Allgemein empfehlen Ärzte zur Behandlung einer chronischen Erschöpfung auch die Einhaltung eines geregelten Tagesablaufs. Betroffenen erlernen idealerweise in einer Verhaltenstherapie neue Verhaltensweisen, die sie weitgehend beschwerdefrei durch den Alltag bringen. Dabei gilt es sowohl physische als auch psychische Belastungen so weit wie möglich zu vermeiden. In der Regel verfolgen Ärzte ein mehrstufiges Vorgehen, um das Leistungsvermögen der Betroffenen nach und nach zu steigern und sie wieder in den Alltag zu integrieren.

In vielen Fällen erweisen sich auch Entspannungsübungen wie beispielsweise Autogenes Training oder Meditation als wirksame Methoden zur Behandlung der Symptome. Sie können Betroffenen unter anderem bei Schlafstörungen helfen. Auch leichtes Sporttraining hat positive Effekte.

Wie wird das Chronische Erschöpfungssyndrom in einer Reha behandelt?

Auf die Behandlung des Chronischen Erschöpfungssyndroms spezialisierte Reha-Kliniken bieten Betroffenen im Allgemeinen ganzheitliche Therapien zur Verbesserung ihres Allgemeinzustandes an. Meist konzentriert sich die Reha bei chronischer Erschöpfung auf die Beseitigung der Krankheitssymptome des Betroffenen und nicht auf die eigentlichen Auslöser des Erschöpfungssyndroms.

Vor dem Hintergrund der großen Bandbreite an Symptomen, stellen Reha-Kliniken eine multimodale Therapie für Betroffene zusammen. Zu den Therapiebausteinen einer Reha-Klinik für chronische Erschöpfung zählen unter anderem:

  • Einzel- und Gruppenpsychotherapien
  • Entspannungstechniken
  • Krankengymnastik Sporttherapien
  • Ergo-, Kreativ- und Musiktherapien
  • Ernährungsberatung
  • Soziale Kompetenztrainings
  • Angstbewältigungstrainings
  • Lichttherapien

Wie lange dauert die Reha bei einem Chronischen Erschöpfungssyndrom?

Die Dauer einer Reha bei chronischer Erschöpfung lässt sich nicht pauschal angeben. Je nach Schweregrad der Symptome beträgt die mittlere Behandlungsdauer in einer Rehabilitation Wochen bis mehrere Monate. Zudem ist die Dauer der Reha im Allgemeinen auch von der Leistungsfähigkeit des Betroffenen abhängig.

Portrait von Dr. Oliver Meier.
Facharzt für Neurologie

Chefarzt Neurologie und Ärztlicher Direktor